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Fahrausbildung in der Schweiz: aktueller Stand und Perspektiven
Fahrausbildung in der Schweiz:
aktueller Stand und Perspektiven
Dr. Stefan Siegrist
Vortragsfolien (stehen zur Zeit nicht zur Verfügung)
(PDF 829 KB)
Abstract
2001 hat die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft beschlossen, dass der Führerausweis in Zukunft erst dann unbefristet erteilt wird, wenn
- die Probezeit von drei Jahren abgelaufen ist,
- der Inhaber an den vom Bundesrat vorgeschriebenen, in erster Linie praktischen Weiterbildungskursen zur Erkennung und Vermeidung von Gefahren sowie zu umweltschonendem Fahren teilgenommen hat.
Die definitive Einführung dieser Regelung ist per Ende 2005 vorgesehen.
Das Konzept des Schweizer Zweiphasenmodells ist von der Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu 1987 entwickelt und 1998 konkretisiert worden. Sie hat sich von folgenden Erkenntnissen und Einschätzungen leiten lassen:
- Korrekte Fahrzeugbedienung und Bewältigung von Verkehrssituationen sind keine hinreichenden Bedingungen für sicheres Fahren.
- Das überproportionale Unfallrisiko der Neulenker ist in erster Linie durch altersabhängige motivationale Einflüsse bedingt.
- Das Sammeln von Fahrerfahrungen in realen Verkehrssituationen unter geschützten Bedingungen reduziert das Unfallrisiko, wobei ältere Fahranfänger mehr profitieren als jüngere. Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass dieses Ziel durch eine Reduktion des Einstiegsalters ohne massive Begleitmaßnahmen nicht erreicht werden kann.
- Es gibt kaum wissenschaftliche Hinweise auf eine unfallreduzierende Wirkung der klassischen Fahrausbildung. Der europäische - auf die Schulung motorischer und kognitiver Elemente ausgerichtete - pädagogische Ansatz muss um die von Keskinen vorgeschlagenen Inhalte und Methoden erweitert werden.
- Die Bereitschaft der jungen Erwachsenen, über emotionale und motivationale Aspekte des Fahrens zu sprechen, ist gering. Eine Einstiegsmöglichkeit bieten die ersten Fahrerfahrungen ohne Begleitung von Erwachsenen (während der ersten sechs Monate nach der Prüfung hatten 60% der Neulenker schon einmal das Gefühl, nur knapp einem Verkehrsunfall entgangen zu sein).
- Restriktionen und Auflagen reduzieren die Unfallzahlen, wie die v.a. US-amerikanischen Erfahrungen zeigen.
- Die Kombination von Education und Enforcement hat sich in der Verkehrssicherheitsarbeit verschiedentlich als erfolgreich erwiesen.
- Neulenker wünschen eine actionbetonte Weiterbildung.
Der in einem Modellversuch erprobte Vorschlag der bfu für die Weiterbildung in der zweiten Phase sah eine Verflechtung von erlebnisorientierten, kognitiven und gruppendynamischen Methoden und Inhalten vor. Einerseits sollen durch diese Art der Kursgestaltung negative Lerneffekte (z. B. Selbstüberschätzung), wie sie durch fahrpraktische Übungen hervorgerufen werden können, vermieden werden. Andererseits soll der Kurs praxisnah und erlebnisorientiert sein und die Teilnehmenden zu einer realistischen Selbsteinschätzung und einer verbesserten Gefahrenwahrnehmung führen. Wegen der Bedeutung lebenssituationsbezogener Einflüsse war zudem eine Doppelmoderation vorgesehen. Neben einem qualifizierten Fahrlehrer sollten die Kurse von einem Pädagogen (Sozialpädagoge, Lehrer, Jugendarbeiter) co-moderiert werden.
Nicht alle vorgeschlagenen Elemente sind in das aktuelle Detailkonzept eingeflossen. Vorgesehene Auflagen wie ein Alkoholverbot während der Probephase sind schon im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen mangels Akzeptanz fallen gelassen worden. Im Rahmen der Vernehmlassung zu den Ausführungsbestimmungen auf Verordnungsebene erwiesen sich auch die Doppelmoderation, die Beschränkung fahrpraktischer Elemente und die Verknüpfung verschiedener Interventionsformen (praktische Erlebnisse, Selbstexploration, Gruppendiskussion) als nicht mehrheitsfähig.
Die zentralen Elemente des aktuellen Konzeptes sind:
Verkehrsregelverletzungen während der Probezeit führen zu einer Verlängerung der Probezeit um ein Jahr. Im Wiederholungsfall wird der Führerausweis annulliert. Ein Jahr nach Annullierung kann aufgrund eines positiven psychologischen Gutachtens erneut ein Lernfahrausweis erworben werden, Fahrausbildung und Weiterbildungskurse müssen wiederholt werden.
Die obligatorische Weiterbildung dauert 16 Stunden und besteht aus drei Modulen:
- Im ersten Modul, das 8 Stunden dauert, lernen die Neulenker bei praktischen Übungen auf einer abgesperrten Verkehrsfläche gefährliche Situationen rechtzeitig zu erkennen und besser darauf zu reagieren.
- Das zweite Modul besteht aus einer Feedbackfahrt in der Gruppe und soll eine partnerschaftliche und umweltschonende Fahrweise fördern. Es dauert 4 Stunden. Der Einsatz von Simulatoren ist erlaubt.
- Die letzten 4 Stunden werden im Theoriesaal durchgeführt. Anhand von Unfallbeispielen und Diskussionen soll das Bewusstsein für die eigenen Fähigkeiten und für die Gefahren im Straßenverkehr geschärft werden.