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Sichere Blut- und Plasmaspenden - warum sie so wichtig sind

Dokumentation der Podiumsdiskussion mit Vertreter/innen des Deutschen Roten Kreuzes, der AG der Ärzte staatlicher und kommunaler Bluttransfusionsdienste, der AG Plasmaderivate Herstellender Unternehmen, der Deutschen Hämophiliegesellschaft und der Bundesländer.

Moderation: Prof. Dr. Reinhard Burger, Leiter des Arbeitskreises Blut beim Robert-Koch-Institut.


Burger

Wir kommen zur Podiumsdiskussion als Abschluss des heutigen Tages. Ich darf Ihnen zunächst die Teilnehmer dieser Runde vorstellen, zuerst die Vertreter der drei Säulen der Blut- und Plasmaversorgung in Deutschland:

Wir haben am heutigen Tage eine ganze Reihe wesentlicher Punkte bereits angesprochen, und ich glaube, es ist keine Not, das eine oder andere zu wiederholen. Ich denke vielmehr, wir sollten einzelne Punkte in der Diskussion herausgreifen und zur Debatte stellen. Ein Aspekt, der z.B. mehrfach anklang, war der Ausdruck "sichere Blut- und Plasmaprodukte", und hier hat der Ausdruck zwei verschiedene Bedeutungen. Einmal "sicher" im Sinne von "nicht gefährlich", zum anderen aber auch "sicher" im Sinne einer "gesicherten Verfügbarkeit", und beide Aspekte sind sehr wichtig. Viele medizinische Gebiete oder Behandlungswege sind letztlich erst durch die Verfügbarkeit von Blutprodukten zugänglich geworden. Das gilt nicht nur für die Chirurgie, z.B. für Herz- und Lebertransfusionen, sondern hierzu zählt auch der ganze Bereich der onkologischen Erkrankungen - die Therapie mit Stammzellen o.ä. wurde besprochen. Ein wesentlicher Punkt natürlich: die Patienten, denen auf Grund genetisch bedingter Defekte einzelne Plasmaproteine fehlen - Gerinnungsfaktoren oder Immunglobuline. Bei diesen Patienten hängen buchstäblich Wohlbefinden, Lebensqualität oder gar das Leben ab von einer Verfügbarkeit an Blutprodukten, und hier können sehr leicht akute Engpässe, Lieferschwierigkeiten, besondere Vorkommnisse, neu erkannte Risiken sehr akute und schwere Konsequenzen nach sich ziehen. Ein weiterer Aspekt, der heute anklang, war die Altersentwicklung der Bevölkerung. Die absehbare Altersentwicklung wird ebenfalls einen größeren Bedarf an Blutprodukten nach sich ziehen. Der Anteil der Bevölkerung über 65 wird sich deutlich erhöhen. Erkrankungen im höheren Lebensalter gehen häufig einher mit medizinischen Maßnahmen, die Bluttransfusionen erfordern. Bei einem Resümee des heutigen Tages wurden auch die zahlreichen Verbesserungen oder Errungenschaften in den letzten Jahren sehr deutlich, z.B. wurden aber auch die sehr umfangreichen Verfahren bei der Auswahl der Spender beklagt. Angesprochen wurde auch die Leistungsfähigkeit der Tests. Herr Seitz erwähnte die Inaktivierungsverfahren, die sich als sehr wirksam erweisen. Die Indikationen werden streng gestellt, und es werden - das klang auch in den Vorträgen von Herrn Kühnl und Herr Seitz an, die großen fachlichen und technischen Fortschritte als sehr selbstverständlich hingenommen. Das wurde am Beispiel der Hepatitis C sehr deutlich. Hier liegen mittlerweile sehr leistungsfähige serologische Verfahren vor. Hepatitis C war noch vor 10, 12 Jahren ein ganz selbstverständlich hingenommenes Risiko, das als schicksalhaft und unvermeidlich galt. Heute stehen neuartige Testsysteme zur Verfügung, die eine gezielte Testung zulassen an Stelle von Surrogatverfahren, die nur einen indirekten und weniger verlässlichen Hinweis liefern. Es muss wirklich anerkannt werden, dass der Sicherheitsstandard, der hier in Deutschland vorliegt, einen sehr vorbildlichen Standard erreicht hat, der in vielen Ländern nicht in diesem Ausmaß gegeben ist - gewiss ein wesentlicher Aspekt. Die P24-AG-Testung ist ein Beispiel dafür, dass auch einmal eine Entscheidung gefällt wurde, einen Test NICHT einzuführen, weil das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht vertretbar war. Heute wurde auch deutlich, dass in der Bevölkerung eine extreme Erwartungshaltung besteht - letztlich wird das Null-Risiko gefordert. Dieses ist aber bei derartigen biologischen Produkten beim besten Willen nicht erreichbar. Hier sind sicher auch eine ganze Reihe irrationaler, ungerechtfertigter Ängste im Spiel, die natürlich auch durch die Ereignisse in den letzten zehn Jahren gefördert werden. Herausforderungen richten sich aber auch an die Hersteller: vereinfachte Tests, d.h. schnellere und billigere Verfahren. Trotz der sehr wirksamen Inaktivierungsverfahren gibt es eine Reihe von Viren, die mit den gängigen Methoden nicht inaktiviert werden. Hier wären natürlich technische Neuerungen sehr willkommen, hier besteht Handlungsbedarf.

Ich schlage Ihnen vor, dass nun die Teilnehmer dieser Runde ein kurzes Statement abgeben und die Aspekte zu unserem Thema "Sichere Blutprodukte" aus der Sicht ihrer Organisation darstellen, und vielleicht könnten wir dabei auch den einen oder anderen zukünftigen Aspekt oder die anstehenden Herausforderungen ansprechen.


Lefèvre

Ich wollte meinen Schwerpunkt - ausgehend vom Vortrag von Frau Lassen - setzen. Wenn ich mich so umgucke, sehe ich viele Experten, die sich untereinander kennen und sich laufend darüber unterhalten, wie sicher wir das Blutprodukt machen können. Die Angst, wir könnten auch Schaden anrichten, sitzt geradezu "manisch" in unseren Köpfen. Vielleicht eine Erinnerung: Genau vor 110 Jahren wurde die Übertragung von Blut schon mal für tot erklärt, nachdem man versucht hatte, mit Tier-, aber auch mit Menschenblut zu retten und daran gescheitert war. Seitdem die Blutgruppen entdeckt waren und man endlich in eine Situation kam, wo man mit den immunologischen Barrieren fertig wurde, ist das Thema "Sicherheit" - im Sinne von: ich möchte keinen Schaden anrichten mit dem Blut - unser Haupt-Augenmerk. Aber jetzt meine ich: Wir sind auf genau dem hohen Standard, wie ihn Herr Professor Burger eben beschrieben hat. Wir sollten aber einmal einen ganz anderen Aspekt herausgreifen, und der ist hervorragend herausgearbeitet worden in dem Vortrag von Frau Lassen: Wie sicher sind wir eigentlich, dass wir in der Zukunft unsere Menschen, die wir dazu brauchen, auch so ansprechen, dass die Sicherheit der Versorgung tatsächlich auch gewährleistet wird. Diesen Aspekt haben wir in den vergangenen Jahren vielleicht ein bisschen zu wenig beachtet. Ich frage mich auch mit Blick auf die BZgA und das, was Frau Pott gesagt hat: Wie kriegen wir die jungen Menschen, die ganz andere Ansprüche haben als unsere Generation das hatte, dazu, dies als eine wesentliche Aufgabe zu begreifen, wo sie gerne hingehen, wo sie angenommen und akzeptiert werden und dass wir nicht in den alten Strukturen verharren und den Spendern sagen: Das ist aber Vorschrift, das steht so in der Richtlinie und uns nicht einfühlsam um diese Leute kümmern. Wenn wir die jungen Leute nicht hinführen an diese Aufgabe, dann werden wir tatsächlich ein Problem haben, auch im Hinblick auf die Alterspyramide. Ich wünsche mir, dass wir nicht nur den Sicherheitsaspekt, bezogen auf die Nebenwirkungen von Blutprodukten, im Auge haben, sondern dass wir mehr unseren Blick wenden hin zu der Frage: Wie können wir die Menschen dazu bekommen, das Blut- und Plasmaspenden auch in Zukunft als eine richtige und wichtige Aufgabe zu begreifen, und wie können wir mit den neuen Ansprüchen, dem neuen Lebensgefühl der jungen Generation besser umgehen? Auch der Titel des Weltgesundheitstages "Blut und Plasma SPENDEN" sagt aus, dass es nicht nur um die Sicherheit des Arzneimittels geht, sondern es geht auch darum: Wie können wir sichern, dass wir in Zukunft noch genug Blutspender haben? Wie gehen wir mit den jungen Leuten um, wie kriegen wir die Bevölkerung dazu, dass sie zum Blutspenden kommt, da sind wir noch ganz altmodisch, preußisch, mit "Befehl und Gehorsam" wird da gearbeitet. Wir haben vielleicht durch ungeschicktes und auch übertriebenes Informieren ganze Familien in Angst und Schrecken versetzt, weil wir nicht behutsam, nicht einfühlsam mit dem Thema umgegangen sind. Wir sollten also den Blick mehr lenken auf die Spender, dass wir da mal einen neuen Weg einschlagen.


Hitzler

Ich möchte drei Aspekte fokussieren. Wir brauchen eine gesicherte Versorgung mit sicheren Blutprodukten, d.h. wir haben zwei Bereiche, die gesichert sein müssen. Ein Teil dieser sicheren Versorgung wird durch die Pluralität in unserem Blutspendewesen ermöglicht. Wir haben die drei großen Säulen, die dem deutschen Blutspendewesen einen sehr hohen Sicherheitsstandard und eine sichere Versorgung verleihen - gerade in der Konkurrenz, im Wettbewerb untereinander. Ich denke, dass diese Pluralität auch der integrale Bestandteil in unserem Blutspendewesen sein muss. Der zweite Punkt sind sichere Blutprodukte und dieser Punkt darf nicht kontraproduktiv sein zu der sicheren Versorgung. Wir werden künftig sicher noch auf andere Viren, andere Infektionserreger, angesprochen werden (z.B. humanes Herpesvirus V 8 oder Parvovirus B 19 oder TTV), d.h. wir müssen uns sicher auch dem Problem stellen, welchen Sicherheitsgewinn und -standard wird letztlich möchten, ohne die gesicherte Versorgung der Patienten vor Ort in Frage zu stellen. Ein anderer Aspekt wurde heute mit dem Begriff "Selbstversorgung" angesprochen. Wir haben in der Bundesrepublik mit Sicherheit eine Selbstversorgung der kurzlebigen zellulären Blutprodukte, auch des therapeutischen Plasmas. Und wir haben sicher noch keine ausreichende Selbstversorgung der aus Plasma hergestellten Produkte. Hier wird sicher ein Problem mittelfristig zu diskutieren sein: Wir stellen in der Bundesrepublik Deutschland neben den Blutspenden eine gehörige Menge an Plasma her, das aber dann auch in die Fraktionierung gelangen muss. Es geht darum, auch regionales Plasma für regionale Plasmaprodukte zu verwenden und nur zum Teil das importierte Plasma zur Herstellung der Plasmaderivate.


Johannsen

Ich will auch drei Aspekte herausgreifen. Das eine ist die Versorgung im Lande Deutschland selber. Als industrielle Hersteller sind wir ja zunehmend daran interessiert, dass unser Plasma durch Plasmapherese gewonnen wird. In den letzten Jahren konnten wir das Aufkommen von Plasma durch Plasmapherese von 300.000 auf 600.000 Liter erhöhen. Ich glaube, das ist ein guter Teilerfolg, an den man anknüpfen sollte. Aber ich möchte in Ergänzung zu meinen beiden Vorrednern anfügen: Die Selbstversorgung, von der hier die Rede war, hatte ja häufig den Klang der "nationalen" Selbstversorgung. Ich habe mich gegen diesen Begriff immer gewehrt, und die Industrie wehrt sich auch dagegen, weil ursprünglich immer von der "europäischen" Selbstversorgung die Rede war und von dem Ausgleich der Plasmamengen, wenn irgendwo etwas fehlte und irgendwo ein Überschuss war. Ich glaube, dieser internationale Aspekt ist sehr wichtig. Es darf nicht sein, dass ein Land wie Deutschland selbstversorgend ist, und die Nachbarländer haben keine Produkte. Das wäre eine falsche Entwicklung, davor sollten wir uns hüten. Die Fragen von Ländern Osteuropas, Zentraleuropas werden an die Industrie gerichtet: Was könnt ihr uns an Produkten liefern? Und hier kommen wir mit dem Begriff der nationalen Selbstversorgung nicht weiter. Wir müssen sehen, dass die Plasmagewinnung so beschaffen ist, dass sie genügend ist für alle Patienten, und Herr Schramm hat gesagt, nur zwanzig Prozent werden zur Zeit versorgt. Hier ist ein Riesenfeld der Entwicklung vor uns, und wir müssen auch sehen, dass diese Produkte nach Möglichkeit denselben Sicherheitsstandard erreichen. In der kommenden Woche gibt es eine Tagung der "World Federation of Hemophilia" in Montreal, und eine Frage im Vorfeld an die Industrie war: Würdet ihr zwei Standards akzeptieren - z.B. für Indien einen anderen Standard als für die hoch zivilisierten westlichen Länder, die sich die teuren, hochsicheren Produkte leisten können? Die Antwort der Industrie kann nur sein: Nein, es gibt nicht zwei Standards, wir können keinen Schritt zurück machen. Von diesem Sicherheitsstandard, den wir vor dem Hintergrund der Geschichte aktiv mitentwickelt haben in Westeuropa und den USA, werden wir keine Abstriche machen. Es wird keine Kompromisse geben. Damit will ich nur den letzten Punkt noch ansprechen, die Internationalität. Die Industrie hat sich ja enorm verändert in den letzten Jahren, fast alle Unternehmen sind heute international oder global tätig. Das Plasma, das wir verarbeiten, wird nicht gesammelt nach deutsch, amerikanisch oder österreichisch - es wird gesammelt nach Sicherheitskriterien, die wir klar überwachen können. Die Systeme, die wir derzeit implementiert haben, sind wichtig - angefangen von der Überwachung der Einzelspende per Computer bis zur Fraktionierung des gepoolten Produktes und damit auch die Möglichkeit der Rückverfolgung. Die zusätzlichen Teste, die wir haben, PCR-Testung z.B., werden erweitert. HCV - ist dies die einzige PCR-Testung, die verpflichtend ist für uns? Die Industrie hat sich vor wenigen Jahren selbst verpflichtet, drei PCR´s einzuführen, nämlich auch für HBV und HIV, und einige Unternehmen in dem Verband, für den ich hier spreche, sind dabei, fünf PCR´s einzuführen, nämlich auch für Parvovirus B 19 und für Hepatitis A. Ich denke, diese Entwicklungen sind richtig. Es ist Stand der Technik, dass die Teste heute so gemacht werden und dass wir verschiedene Sicherheitsebenen haben, einmal Sicherheit des Plasmas und einmal Sicherheit der Herstellung mittels GMP, mittels Validierung und Überprüfung und Freigabe der Endprodukte. Aber das andere ist das, was auch Herr Schramm angedeutet hat: Wir müssten auf die Dauer und auf Zukunft die Balance finden. Dass wir uns nicht selber herauskatapultieren in die Richtung, dass sich nur zwanzig Prozent der Weltbevölkerung diese Produkte leisten können, andere können es nicht. Eine Betrachtung dessen, was wir erreicht haben, und eine Betrachtung dessen, was wir für die Zukunft brauchen, ist dringend erforderlich. Wir müssen das einsteigen, und müssen das international sehen und nicht national.


Braun

So wichtig die internationalen Gesichtspunkte sind, die Sie erwähnt haben, Herr Johannsen, so möchte ich doch wieder zurückkommen auf unsere Versorgung hier in Deutschland, und hier auch der Hämophilie-Patienten. Es ist ja schon so, dass unterschiedliche Epidemiologien und Durchseuchungen mit Viren in den einzelnen Ländern bestehen - auch innerhalb Europas gibt es da Unterschiede. Und deshalb ist es schon wichtig, dass man versucht, auch diese Selbstversorgung weiter zu fördern. Ich habe auch, was die EU anbetrifft, kleinere Bedenken. Sie betreffen nicht nur unseren Bereich, sondern gehen in viele Bereiche hinein. Es gibt Richtlinien, die von der EU herausgegeben werden für die Sicherheit der Plasmaprodukte. Diese sind sicherlich auch sehr wichtig. Aber wir haben auch einen gewissen Standard bei uns, und es darf nicht sein, dass dieser Standard "heruntergeregelt" wird auf ein niedrigeres Niveau. Ich kann mich nur erinnern an diese Empfehlung des PEI hinsichtlich der Virus-Inaktivierungsverfahren, der Einführung von zwei Schritten - die EU hat das wohl zunächst etwas anders gesehen. Dann ein weiterer Punkt, der mir in dem Zusammenhang auch noch wichtig ist, was die Qualität des Plasmas anbetrifft: dass wir doch eine einheitliche Qualität haben sollten und nicht, dass das Plasma, das für die Herstellung z.B. der Gerinnungspräparate und der Immunglobuline verwendet wird, eine mindere Qualität hat als das therapeutische Plasma, das als Spende verwendet wird. Wichtig ist mir auch noch, dass die Sensibilität, die ja in den vergangenen Jahren doch erheblich gestiegen ist, was die Sicherheit im Umgang mit Blutprodukten betrifft, noch weiter entwickelt wird. Dass nicht nur effektiv wissenschaftlich nachgewiesene Gefahren Berücksichtigung finden, sondern dass wirklich auch bei Verdachtsmomenten reagiert wird. Da müssten wir wirklich aus der Vergangenheit einiges lernen. Ich bin wirklich nicht unzufrieden mit dem Sicherheitsstandard, den wir hier haben, aber es ist schon so, dass in den verschiedenen Diskussionen das Argument kommt: "Das ist wissenschaftlich nicht gesichert." Aber es geht dann auch darum, eine Risikoverminderung zu verwirklichen, wenn man sie haben kann - auch wenn es keine Risikovermeidung gibt. Wichtig ist mir auch die Transparenz und die Information der Patienten. Es ist zwingend nötig, dass Patienten rechtzeitig über Gefahren und auftretende Risiken informiert werden.


Böttcher

Ich möchte anknüpfen an den Vortrag von Herrn Professor Kühnl. Er hat davon gesprochen, dass es 80 Regelwerke gibt, die die Herstellung von Blut und Blutprodukten insgesamt betreffen. Die Aufgabe der Bundesländer ist es nach dem Arzneimittelgesetz, in diese Blutspendedienste, Plasmapheresezentren und pharmazeutischen Unternehmen hineinzugehen, zu sehen, ob diese Regelwerke umgesetzt werden, ob es dort Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Auf der anderen Seite können wir dort auch sehen, ob es Diskrepanzen zwischen den jeweiligen Richtlinien in der Umsetzung vor Ort gibt, und wir können beim BMG darauf hinwirken, dass dieses in Form von Gesetzen oder bei den BÄK-Richtlinien umgesetzt oder angepasst wird. Um ein praktisches Beispiel unseres Tätigkeitsfeldes zu nennen: Wir hatten eben, von Herrn Johannsen angesprochen, das Thema Importe von Plasmen und den Austausch mit anderen Ländern. Wir sagen, hier in Deutschland haben wir durch unsere Regularien, durch unsere Testungen und Verfahren einen hohen Sicherheitsstandard. Wie sieht es jetzt aus bei Importen? Es ist unsere Aufgabe, dass wir Auslandsinspektionen durchführen und dort vor Ort darauf hinwirken, dass auch im Ausland nach unserer Gesetzgebung und unseren Regularien gearbeitet wird, also auch sicheres Plasma hier hereinkommt. Wo wir feststellen, dass das nicht der Fall ist, liegt keine Importerlaubnis vor, und somit unterbinden wir dieses. Was mir für die Länder in nächster Zukunft sehr wichtig ist, ist die Validierung der EDV-Anlagen. Es besteht bei den Blutspendediensten und Plasmapheresezentren sowie den Herstellern von Blut und Blutprodukten ein sehr hohes Aufkommen von Datenmaterial. Es betrifft sowohl die Aufnahme von Spendern - Spendeintervalle müssen eingehalten werden, Spenderdaten müssen verwaltet werden, dann kommen die Testergebnisse hinzu, die Herstellungsverfahren müssen protokolliert werden - das läuft heute in sehr großem Maße über die EDV. Die Freigabe ist ein sehr wichtiger Aspekt, und dann auch der Fall von Rückverfolgungsmaßnahmen. All das wird heutzutage weitgehend durch die EDV verwaltet. Es gibt aber nur in Ausnahmefällen EDV-Anlagen, die direkt für Blutspendedienste, Plasmapheresezentren und Hersteller entwickelt wurden. Häufig sind es "handgestrickte" Anlagen, die zusammengestellt wurden. Es gibt dann einen Bereich, der für die Spenderverwaltung entwickelt wurde, ein anderer Bereich ist dann die Labor-EDV-Anlage. Hier gibt es Schnittstellen, und da muss noch eine sehr hohe Sicherheit gewährleistet und nachgewiesen werden. Vor Ort muss überprüft werden: Wurden die Spende-Intervalle eingehalten, wie ist die Datenablage, die Datensicherung, sind die Zugangsberechtigungen richtig etabliert - ein Feld, auf dem bisher noch nicht so viel gearbeitet wurde, auf dem noch viel zu machen ist.


Johannsen

Ich möchte zu dem Kommentar von Frau Braun etwas sagen. Wenn wir über die Selbstversorgung reden, und Sie haben ja eben dafür plädiert, dass wir mehr Plasma in Deutschland sammeln, dann war ja schon seit einigen Jahren die Diskussion darüber: Wenn das wirklich Platz greifen soll, dann muss das Plasma, das wir hier im Lande sammeln, wettbewerbsfähig sein zu dem Plasma, das wir von außen angeboten bekommen und das alle Kriterien erfüllt, so dass es importiert werden kann. Ich begrüße die Initiative der BZgA, dass wir eine Motivation für mehr Spender bekommen. Ich begrüße genauso die Studie, die derzeit durchgeführt wird, um zu ermitteln, wie viel Plasma wir von einen Spender pro Jahr mit Hilfe der Plasmapherese bekommen können, ohne ihn zu gefährden. Frau Braun, ich habe ein Problem damit zu sagen: "Wir wollen deutsches Plasma für deutsche Patienten haben!" Das würde voraussetzen, dass Medikamente, die aus deutschem Blut hergestellt wurden, eine andere Qualität haben als Medikamente, die aus US-Plasma oder österreichischem Plasma hergestellt werden. Als Unternehmen lehnen wir das ab. Wir können nur einen Standard haben, wir können es nur vertreten, Medikamente auf den Markt zu bringen, die demselben Sicherheits- und Qualitätsstandard unterliegen. Sie haben sogar angedeutet, dass durch Plasmapherese gewonnenes Plasma eine geringere Qualität besitzt als das Plasma, das wir wir aus Vollblut gewinnen. Auch dem widerspreche ich - oder habe ich das falsch verstanden? Wir haben derzeit Qualitätskriterien für Plasmapherese-Plasma definiert, und diese Qualitätskriterien liegen deutlich über den Qualitätskriterien, die wir anlegen können für "recovered plasma" - wenn Sie an die Sperrlagerung denken, wenn Sie an die Quarantäne für die Erstspender denken, wenn Sie sagen, ein Routinespender ist jemand, der innerhalb der letzten sechs Monate gespendet hat, so dass er immer wieder neue untersucht wird und in die Prozedur der Quarantäne mit hineingenommen wird. Epidemiologische Unterschiede haben wir von Land zu Land, das ist wahr. Wir haben auch epidemiologische Unterschiede zwischen Stadt und Land, auch das ist bekannt. Dennoch können wir - sowohl in den Ballungszentren als auch auf dem flachen Land - sicheres Plasma gewinnen. Wir können das mit Hilfe der modernen Testungen. Mit Hilfe der modernen Überwachungen können wir von den Spendern die sicheren heraussuchen und das Plasma in guter Qualität auch dort gewinnen. Ich denke, Epidemiologie, wie sie früher diskutiert wurde, ist ein Kriterium, das wir neu definieren müssen, dass wir neu bewerten müssen mit Hilfe der neuen Technologien, die uns heute zur Verfügung stehen. Ich glaube, wir dürfen den internationalen Aspekt nicht aus den Augen verlieren. Wenn wir in der nächsten Woche in Montreal zusammensitzen, dann werden wir zu diskutieren haben, und wir werden uns möglicherweise Vorwürfe gefallen lassen müssen, dass wir in relativ egoistischer Weise in den hoch zivilisierten Ländern vorangehen, ohne dafür Sorge zu tragen, dass die Grundversorgung in vielen Ländern überhaupt erreicht wird. Ich glaube, diese Fragen kommen auf uns zu - und nicht nur auf die Unternehmen, die die Produkte herstellen, sondern auch auf die Politik.


Lefèvre:

Ich finde es gut, dass wir uns über die Selbstversorgung streiten. Ich erinnere an das, was die Frau Bundesministerin heute morgen gesagt hat: "Versorgung" bezieht sich nicht auf Deutschland, aber auf Europa. Der Widerspruch, Herr Johannsen, den Sie uns jetzt darstellen, ist ja nicht der: Wie geht die Industrie damit um, dass eigentlich die politische Denkweise in Europa so ist, dass die Europäer soundsoviele Blutspenden haben und daraus die Blutpräparate für den eigenen Bedarf herstellen möchten. Auf der anderen Seite ist natürlich richtig: Wir haben einen internationalen Markt, wir haben Produkte, die weltweit verkauft werden, wir importieren große Mengen amerikanische Präparate nach Deutschland. Unsere Patienten werden durch Plasmaspenden aus den Vereinigten Staaten versorgt. Das entspricht eigentlich nicht dem politischen Willen, wie er deklariert ist in der Europäischen Union. Hier steht die globale Betrachtung der pharmazeutischen Industrie, die die Produkte herstellt, im Widerspruch zum politischen Willen. Und noch ein Wort zu dem, was in der Bundesrepublik ist: Ich habe jetzt gerade mit großer Freude gehört, dass wir im letzten Jahr 600.000 kg (bzw. Liter) Plasma aus Plasmapherese gewonnen haben, hinzu kommen 1 Million kg Plasma aus den Vollblutspenden beim Roten Kreuz, dazu noch vielleicht 150.000 bis 200.000 kg Plasma aus den Vollblutspenden der staatlich-kommunalen Seite. Das heißt, wir haben in der Größenordnung 1.5 bis 1.8 Millionen kg Plasma in Deutschland, und rein rechnerisch reicht das natürlich blendend, um unsere Patienten damit zu versorgen. Die Frage ist also: Was wird angestrebt bezüglich der Mengen, die wir hier in Deutschland darstellen? Wir haben sicher soviel Plasma, wie wir auch therapeutische Präparate haben. Die andere Frage, die Herr Johannsen in den Raum gestellt hat: Müssen wir nicht MEHR spenden, damit wir Drittländern, die keine eigenen Präparate herstellen können und bei denen auch das Sicherheitsrisiko viel höher ist, entsprechende Präparate zur Verfügung stellen können? Aber hier steht m.E. der politische Wille im Widerspruch zu dem, was sich die großen pharmazeutischen Unternehmen, die auch weltweit agieren und international tätig sind, zum Ziel gesetzt haben. Diesen Widerspruch hätte ich gerne erklärt.


Johannsen:

Dieser Widerspruch ergibt sich zwangsläufig, da die Unternehmen heute in Deutschland ja mehr Anstrengungen unternehmen, um heimisches Plasma selber zu gewinnen. Die Aktivitäten der Unternehmen sind gestiegen in Bezug auf die Plasmapherese hier in Deutschland. Und die Verarbeitung von Plasma, das wir in Deutschland gewinnen, ist ja bisher keine Frage gewesen, weil die Qualitätskriterien erfüllt waren. Es gibt eine vernünftige Symbiose in dieser Hinsicht zwischen dem Plasma des Roten Kreuzes und der staatlich-kommunalen Blutspendedienste sowie der Industrie - so, wie es sein soll und wie es die drei Säulen der Versorgung auch vorsehen. Ich glaube, da haben wir eine vernünftige Art gefunden, wie wir miteinander umgehen und wie wir dafür Sorge tragen, dass das Plasma, das im Lande gewonnen wird, auch verarbeitet wird. Jetzt gibt es ohne Diskussion große Importe aus den USA, und sie werden dafür genommen, um Plasmaderivate herzustellen, die nicht nur in Deutschland angeboten werden, sondern auch in anderen Ländern. Es gibt auch Fertigprodukte, die in den USA hergestellt wurden und hier in Deutschland verbraucht werden ohne Zutun der heimischen Industrie - einfach, weil die ärztliche Freiheit beinhaltet, dass man die Wahl haben will zwischen den verschiedenen Produkten, die international angeboten werden und die eine Zulassung in Deutschland haben. Wir können doch davon überhaupt keinen Abstrich machen, denn sonst hätten wir z.B. keinen rekombinanten Faktor VIII hier im Lande. Diese Importe sind ein Zeichen dessen, was wir heute an Märkten und an wirtschaftlicher Aktivität haben und was letzten Endes auch dem Anspruch der Patienten entgegenkommt. Wir machen beides: Wir stellen im Lande Plasma her, wir verarbeiten im Lande Plasma, und wir importieren Plasma, und wir importieren Fertigprodukte. Die EU-Politik, dargestellt in 89381, sieht ja vor, dass die Länder der EU selbstversorgend sein sollten mit Plasma und dass jedes einzelne Land geeignete Maßnahmen ergreifen soll, um dieses Ziel zu erreichen. Das ist EU-Politik, das ist nicht die deutsche Politik, wie wir heute sehen, zumindest ist die deutsche Politik nicht völlig identisch mit der europäischen - es gibt hier kleine Abweichungen. Mit dieser EU-Politik werden wir uns - denke ich - auch in Zukunft auseinanderzusetzen haben. Ich zitiere Wildbad-Kreuth, wo gesagt wurde: Das Thema "EU-Selbstversorgung" muss neu betrachtet werden im Zusammenhang mit den Fragen der kontinuierlichen Versorgung. Denken Sie an England, wo plötzlich ein ganzes Land mit dem Plasma ausgefallen ist, in Bezug auf die Sicherheit, in Bezug auf die Ethik der Blutspendeaktivitäten und in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit. Ich glaube, in der EU wird man sich des Themas wieder annehmen müssen.


Hitzler:

Ich denke, bei der Selbstversorgung geht es nicht darum, dass wir nicht vergleichbar sichere Produkte aus dem Ausland beziehen können, sondern das Problem ist ganz einfach: Wir stellen in der Bundesrepublik mit unseren beiden großen Blutspendediensten mit etwa 4 Millionen Blutentnahmen jährlich 4 Millionen Plasmaeinheiten her, das etwa 1.2 Millionen Liter Plasma bedeuten kann - aus der Vollblutspende und nicht aus dem ausschließlich maschinellen Plasma-Gewinn. Was tun wir, wenn wir sicheres Plasma herstellen, und keiner möchte es? Da sehe ich das Problem, dass wir das hier entstandene Plasma, das wir summarisch herstellen, auch tatsächlich verwenden. Und wenn ich zurückkomme auf die Initiative, die Herr Schramm in Wildbad-Kreuth geleitet hat, dass wir therapeutisches Plasma sehr restriktiv einsetzen müssen - also nur dort, wo Indikationen sind -, dann muss ich mir schon die Frage stellen: Wo gehen wir mit den aus Vollblut hergestellten Plasmen demnächst hin? Wer wird das dann überhaupt noch benutzen?


Schmidt:

Ich glaube, wir sollten endlich einmal einen Schluss-Strich und den Mythos des Mangels an Plasma in der Bundesrepublik ziehen. Wir haben keinen Mangel an Plasma in der Bundesrepublik, wenn man es bezieht auf die Mengen, die in der Bundesrepublik benötigt werden. Ich rede jetzt nicht von nationaler Selbstversorgung, sondern einfach von einer Quantitfizierung der Mengen, die hier gebraucht werden und die hier entstehen. Wenn wir einmal davon ausgehen, dass in den letzten Jahren ein deutlicher Rückgang des Verbrauchs von Albumin eingetreten ist; wenn wir weiter davon ausgehen, dass durch die Einführung der rekombinanten Produkte bei der Hämophiliebehandlung ein erheblicher Wandel im Gange ist - dann müssen wir doch endlich einmal zugeben, dass wir genügend Plasma herstellen und dass wir in der Lage sind, diese Selbstversorgung im Falle eines Falles auch zu dokumentieren. Darüber hinaus müssen wir natürlich - und da gebe ich Ihnen, Herr Johannsen, völlig Recht - auch in anderen Dimensionen denken und die Frage stellen dürfen: Wollen wir so viel Plasma herstellen, wie die Industrie benötigt? Sind wir bereit, unsere Aktivitäten hier in der Bundesrepublik - vielleicht auch aus einem gesunden reziproken Altruismus heraus - auch auf andere Länder auszudehnen, wollen wir ihnen helfen, ihre Bedürfnisse zu decken? Wir müssten ja sonst vielleicht Angst davor haben, in einer Situation, wie sie jetzt in England besteht, im Stich gelassen zu werden. Das ist dann ein ganz anderes Problem. Aber es darf nicht immer wieder in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, dass die hiesigen Blutspender nicht in der Lage und nicht genügend begeisterungsfähig wären, das System in sich selbst ruhen zu lassen und im Notfall in die Lage zu versetzen, auch in einer "Abkapselung" weiter zu existieren, ohne dass uns ein Schaden geschieht. Ich meine, Herr Hitzler, Sie haben das auch völlig richtig erkannt. Wir haben massenweise Plasma, und wir müssen auch bei einer Änderung der ganzen Indikationsstellungen die Frage stellen: Wo wird dieses Plasma landen? Viele Indikationen, die heute - gerade auch bei der Anwendung von gefrorenem Frischplasma - in Frage gestellt werden. Wenn wir eine gezieltere Hämotherapie wollen, dann werden wir eben auch mit unseren Blutbestandteilen noch sorgfältiger und sparsamer umgehen müssen. Damit ist für die Deckung des gesamten Bedarfs überhaupt keine Lücke mehr zu sehen. Das ist hier ein Zusammenwirken der unterschiedlichen Faktoren, und ich bin froh, dass Herr Schramm in Wildbad-Kreuth dieses so hervorragende Papier entwickelt hat in Gemeinschaft mit der EU - das ist eine ausgezeichnete Anfangsarbeit, auf der man aufbauen kann und die uns zum Nachdenken Anlass gibt und erneut fragen lässt: Wo liegen denn die tatsächlichen Indikationen? Wir haben bei den Erythrozyten früher auch bei 10 g % spätestens angefangen zu transfundieren, und heute transfundieren wir - wenn es hoch kommt und entsprechend dem Alter und Gesamtbefund (Kreislauf, Atmungsorgane) - erst unterhalb von 6 oder 7 g %. Das sind doch riesige Unterschiede, und dieser Wandel, der auch im therapeutischen Geschehen durch die Ärzte zum Ausdruck kommt, der wirkt sich normalerweise auch auf die Bedarfssituation in der Bundesrepublik aus. Diese Bedarfssituation ist, dank der guten Leistungen all der Einrichtungen, die hier am Tisch vorne sitzen, auch voll und ganz gedeckt. Wir müssen auch endlich einmal stolz darauf sein, dass wir in der Lage sind, unsere Leistungen so zu erbringen, dass wir nicht nur für uns selbst deckend arbeiten, sondern dass wir darüber hinaus heute schon eine ganze Menge an Plasmaprodukten herstellen können, die ins Ausland geliefert werden und die mit zur Deckung des Bedarfs von Drittländern bereitstehen.


Braun:

Auch ich möchte es nicht nationalistisch sehen, so dass sage: deutsches Plasma nur für deutsche Patienten, aber einmal auf die Hämophilie bezogen: Es ist jetzt wirklich die Situation da, dass wir - auch was diese Produkte anbetrifft - eine Selbstversorgung erreichen können. Herr Schmidt hat das auch schon betont. 50 Prozent der Gerinnungsfaktoren, die in Deutschland angewendet werden, sind mittlerweile gentechnischen Ursprungs. Das bedeutet, dass der Bedarf an Plasma enorm gesunken ist, was diese Produkte anbetrifft. Das eröffnet die Chance, jetzt die Selbstversorgung zu verwirklichen. Es geht wirklich darum, dass - wenn in einem bestimmten Land ein Erreger auftritt - wir dann in der Lage sind, aus eigenen Ressourcen unseren Bedarf zu decken. Anschneiden möchte ich noch die Testsysteme. Es ist ja so, dass es doch unterschiedliche Sensitivitäten bei den verschiedenen Tests gibt. Ob diese mit den Tests, die in anderen Ländern angewandt werden, tatsächlich übereinstimmen, ist eine weitere Frage. Ein Punkt ist auch die Versorgung mit Gerinnungspräparaten, und da gab es auch in den vergangenen Jahren immer wieder Engpässe durch irgendwelche Rückrufaktionen. Diese Rückrufaktionen haben natürlich etwas mit Sicherheitsmaßnahmen zu tun. Das ist ja grundsätzlich positiv, wenn die Behörden in solchen Fällen eingreifen. Um die Versorgung der Patienten aber sicherzustellen, müssen wir eine breitere Palette an Präparaten haben, damit in solchen Fällen auf ein anderes Produkt ausgewichen werden kann. Dieses Fusionsfieber, das in der Industrie generell vorhanden ist, auch in unserem Bereich, lässt uns manchmal schon bedenklich werden. Wenn wir uns vorstellen, es gibt vielleicht irgendwann nur noch drei oder vier Präparate in Deutschland, und es wird die Produktion einer Firma gestoppt, dann hätten wir einen Riesen-Engpass. Deshalb denke ich, es ist wichtig, dass wir eine breite Palette an Produkten haben.


Burger

Ich habe noch einmal eine Frage an Frau Braun. Sie hatten gefordert, die Maßnahmen praktisch so zu steuern, dass bereits bei "Verdachtsmaßnahmen" die Ausrufung eines Rückrufes erfolgt. Wo ist der Übergang zwischen reinen "Verdachtsmomenten" und einem "begründeten" Verdacht, der den Rückruf wirklich rechtfertigt. Dies auch im Hinblick auf die Versorgungsengpässe, wo mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit Schaden ausgelöst wird.


Braun

Ich muss da von einem "begründeten" Verdacht sprechen. Diese Grenze zu ziehen ist sicherlich schwierig, aber man muss umso sensibler sein, je größer der Schaden ist, der ausgelöst werden könnte, z.B. im Zusammenhang mit HIV/AIDS, wo es wirklich darum geht, das Menschen ihr Leben verlieren. Da ist es dann ganz wichtig, dass ich diese Schwelle etwas niedriger ansetze.


Lefèvre

Wichtig erscheint mir auch, dass die Hersteller darauf achten, dass das Plasma, das sie verwenden, möglichst nicht total durcheinander gemischt wird. Damit in eine Charge nicht Bestandteile aus den verschiedensten Ländern hineingeraten. Zumindest sollte man versuchen, den Regionen das Plasma zuzuordnen. Ich bin ein wenig traurig darüber, dass es nicht gelungen ist, die Änderung, die im Arzneimittelgesetz steht, auch durchzusetzen: dass nämlich auf dem Präparat deklariert sein muss, aus welcher Region, aus welchem Land das Plasma stammt. Ich bin traurig darüber, dass das nicht seitens der Behörden und seitens der Politiker strikt umgesetzt wurde, sondern dass man sich auf einen Kompromiss eingelassen hat, weil es natürlich unbestreitbar logistisch und auch produktionsmäßig nicht ganz einfach ist, das genau zuzuordnen. Aber es sollte doch Ziel sein, diese im Arzneimittelgesetz verankerte Maßnahme auch in ihrem Sinne zu erfüllen.


Schramm

Nur eine kurze Ergänzung noch zu dem, was auch Frau Braun gesagt hat. Man kann sehr gut nachvollziehen, dass Patienten Angst haben, dass es Einschränkungen gibt, wenn wir zu wenige Hersteller haben. In Wildbad-Kreuth haben wir explizit eine Empfehlung auch zu diesem Thema formuliert: Es soll kein Monopol entstehen, sondern mehrere Anbieter sind gefordert. Dasselbe gilt im übrigen natürlich auch für die Blutspendedienste. Herr Hitzler hat so schön von den verschiedenen Säulen gesprochen - ein wichtiger Punkt. Das zweite - die "driving force": Herr Schmidt, Sie haben natürlich Recht. Früher war es der Faktor VIII, und heute ist es zunehmend das Immunglobulin, und der Indikationswechsel spielt natürlich eine große Rolle. Ich weiß, es gibt hier unterschiedliche Ansichten. Was wir sicherlich brauchen: Wir haben noch sehr viele andere Plasmafaktoren, die eben nicht rekombinant hergestellt werden. Und wenn wir die brauchen und bestimmte andere Faktoren nicht mehr in die Mischkalkulation eingehen, dann wird es jeder Ökonom so machen, dass er diese Kosten auf die anderen aufschlägt. Unter dem Strich wird die Solidargemeinschaft genau denselben Betrag zu zahlen haben. Wir werden Fortschritte haben bei der Weiterentwicklung einzelner Produkte, und die werden naturgemäß dann teurer.


Burger

Gerade beim "driving factor" Immunglobulin sind natürlich auch die Indikationen kritisch zu hinterfragen. Wir sind damit am Ende der verfügbaren Zeit. Ich freue mich über die rege Teilnahme und auch über die Mitwirkung. Die Teilnehmerzahl war ja sowohl heute morgen als auch heute Nachmittag beträchtlich. Ich gehe auch davon aus, dass die demonstrative ministeriale Blutspende heute morgen ihr Medienecho finden wird und dass das gesamte Thema durch diesen Tag sicher auch seinen Niederschlag in den Medien finden wird. Dies wird hoffentlich den erstrebten Effekt auslösen, nämlich eine Mobilisierung von Spendern, auch ein Vertrauen in sichere Blutprodukte. Ich danke Ihnen für Ihre Mitwirkung und wünsche Ihnen eine gute Heimreise.