Im Gesundheitswesen der modernen Industriestaaten zeichnet sich schon seit Jahren ein allmählicher Paradigmenwandel - fort von der Krankheitsbekämpfung, hin zur Krankheitsverhütung - ab. Man muss nur an die Herz-, Kreislauf- oder Krebserkrankungen denken, die heute fast ¾ aller Todesursachen ausmachen, dann stehen die Problematik und der eingeschlagene Lösungsweg sofort klar vor Augen. Denn bei diesen Krankheiten ist sicherlich die Verhütung gegenüber der nachträglichen Krankheitsbekämpfung als die ungleich aussichtsreichere Maßnahme anzusehen.
Die Thematik des Weltgesundheitstag 2003es bietet Anlass, sich einmal mit der Übertragungsmöglichkeit dieses Paradigmenwandels auch auf die psychischen Erkrankungen zu beschäftigen. Zwar gab es in den letzten Jahrzehnten zweifellos große Fortschritte in der Therapieforschung, die es besser als früher erlauben, psychische Gesundheit wiederherzustellen. Gleichwohl zeigen aber viele psychische Krankheiten nach wie vor eine starke Chronifizierungstendenz mit sozialen Behinderungen bis hin zur gesellschaftlichen Desintegration. Wie für die schweren Körperkrankheiten gilt auch für sie, dass die Krankheitsbekämpfung oft zu spät kommt und schweres Leid sowie erhebliche psychosoziale Belastungen infolge ungünstiger Verläufe nicht mehr verhindern kann. Außerdem hat die Ursachenforschung inzwischen mit modernen molekulargenetischen, neurobiologischen, psychometrischen und epidemiologischen Methoden immer mehr Hinweise auf erkennbare Risikofaktoren und Frühwarnzeichen schon vor dem eigentlichen Erkrankungsausbruch erbracht. Sind psychische Erkrankungen also nach allem, was man heute über sie weiß, so beschaffen, dass auch bei ihnen Früherkennung und Frühbehandlung sinnvolle Ziele für die weitere Forschung und deren Umsetzung in die Versorgungspraxis sein könnten? Gibt es möglicherweise schon Befunde, an die sich bei der Entwicklung von Früherkennungs- und Frühbehandlungsprogrammen als solide Ansatzpunkte anknüpfen ließe? Welche Wege wären gegebenenfalls weiter zu beschreiten, derartige Programme zur Anwendung bringen und hinsichtlich der gewünschten Wirkung überprüfen zu können?
Diese drei Fragen sollen in dem Beitrag schwerpunktmäßig für die Schizophrenie, aber auch für andere psychische Erkrankungen beantwortet werden.
Der Autor
Prof. Dr. Jürgen Klosterkötter, Früherkennungs- und Präventionszentrum für psychische Krisen; Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie und Psychiatrie