Kann es gelingen, Psychosen verständlich zu beschreiben und im allgemein menschlichen Zusammenhang zu verstehen, ohne sie zu verharmlosen? Können wir die notwendigen Hilfen so konzipieren, dass wir nicht stigmatisieren? Davon hängt viel ab: Längst werden mögliche Behandlungserfolge zunichte gemacht, weil Behandler ein allzu enges Menschenbild und einseitiges Krankheitskonzept vertreten und so Patienten in die Flucht treiben. Entsprechend verstärkt auch das öffentliche Bild von Schizophrenie und Manie Angst und Isolation. Die Veränderung dieses Bildes muss ein gemeinsames Anliegen von Psychoseerfahrenen, Angehörigen und Profis sein.
Psychoseseminare sind Foren des Austauschs dieser drei Gruppen. Sie dienen dem Abbau von Vorurteilen untereinander - und zunehmend auch - in der Öffentlichkeit. Es geht um ein anderes Bild von Verrücktheit und Anderssein, um antrophologische neben pathologischen Aspekten, um eine andere Gewichtung von Selbst- und Fremdhilfe. Psychoseseminare sind Übungsfelder für einen dialogischen Umgang miteinander und insofern für alle Gruppen eine Herausforderung. Dargestellt werden bisherige Erfahrungen und die Entwicklung einer "Antistigmakampagne von unten".
Menschen müssen im Unterschied zu anderen Lebewesen, um ihr Selbstverständnis ringen. Es gehört zu unseren Fähigkeiten, an uns zu zweifeln und dabei auch zu ver-zweifeln, über uns hinaus zu denken und uns dabei zu verlieren. Wer in diesem Sinne psychotisch wird, ist also kein "Wesen vom anderen Stern", reagiert nicht menschen-untypisch, sondern "allzu menschlich".
Der Autor
PD Dr. Thomas Bock, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Hamburg