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Tabakentwöhnung: Was ist wirklich wirksam?
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Startseite : 2003 Kinder und Umwelt : Aktionen : Folgeaktivitäten : Tabakentwöhnung: Was ist wirklich wirksam?

zurück Tabakentwöhnung: Was ist wirklich wirksam?

Abstract

Peter Lindinger

Für Raucher in unterschiedlichen Stadien der Ausstiegsbereitschaft stehen zahlreiche Angebote zur Tabakentwöhnung zur Verfügung. Dieses vielfältige Angebot reicht von wissenschaftlich fundierten Therapien, die von ausgewiesenen Experten angeboten werden, bis zu ausgesprochen obskuren Praktiken, die von selbst ernannten "Experten" angepriesen werden.

Viele dieser Tabakentwöhnungsverfahren entbehren einer soliden wissenschaftlichen Grundlage und verfügen nicht über einen Wirksamkeitsnachweis.

Bei einer qualitätssichernden Beurteilung der Entwöhnungsmaßnahmen für Raucher müssen u.a. folgende Prinzipien zugrunde gelegt werden:

Die Methode sollte ihre Effektivität im Vergleich mit anderen Therapieverfahren oder adäquaten Kontrollbedingungen bewiesen haben. 
Die Beurteilung der Effektivität sollte sich auf Untersuchungen der langfristigen, kontinuierlichen Abstinenz stützen. 
Die Abstinenzangaben sollten objektiviert sein. 
Die langfristigen Erfolgsaussichten einer Behandlungsmethode müssen in einem wissenschaftlichen Design überprüft worden sein. Folgende Bedingungen sind einzuhalten: Die Effektivität einer Behandlung sollte an der absoluten, kontinuierlichen Abstinenz gemessen werden (oftmals wird lediglich die Punktprävalenz zum Zeitpunkt der Katamnese angegeben). Zumindest sollte transparent sein, ob es sich um Punktprävalenzen der Abstinenz oder kontinuierliche Abstinenzquoten handelt. Abstinenz wird definiert als der Konsum von weniger als einer Zigarette pro Woche (und nicht als eine mehr oder weniger erfolgreiche Reduktion des täglichen Zigarettenkonsums).

Da Rückfalle meist innerhalb der ersten sechs Monate nach Beginn der Abstinenz stattfinden, sollte die Abstinenzrate nach frühestens sechs Monaten, besser noch nach zwölf Monaten bestimmt worden sein.

Auch wenn bei Katamneseerhebungen eine Überprüfung durch biochemische Maße wünschenswert ist, gilt die Selbstaussage der teilnehmenden Raucher in der Regel als ausreichend valide.

Nach aktuellen nationalen und internationalen Leitlinien zur Behandlung der Tabakabhängigkeit gelten bestimmte verhaltensbezogene und pharmakologische Therapiemaßnahmen als wirksam. Die wirksamen verhaltensbezogenen Therapiemaßnahmen bestehen in der Bereitstellung von Unterstützung innerhalb einer Behandlung (über den Ausstieg sprechen und Mut machen), der Organisation von sozialer Unterstützung im natürlichen Umfeld des Patienten sowie einem Problemlösetraining und allgemeinen Bewältigungsstrategien für Risikosituationen und Rückfallkrisen. Diese meist aus der Verhaltenstherapie entnommenen Strategien können in Buchform zur Selbsthilfe, bei telefonischer Ausstiegsberatung als auch in Gruppen- oder Individualprogrammen angeboten werden. Hierbei besteht eine deutliche Dosis-Wirkungs-Beziehung der Intensität verhaltensbezogener Inter-ventionen (je intensiver, desto erfolgreicher).

Unter Berücksichtigung des Impact-Faktors (Anzahl erreichter Raucher x Abstinenzquote) schneiden jedoch die niederschwelligen Behandlungsmaßnahmen wie eine verbale Instruktion eines Arztes, das Rauchen aufzugeben, Rauchertelefone, Selbsthilfematerialien und Rauchfrei-Wettbewerbe günstig ab.

Bei den medikamentösen Therapien haben die Nikotinpräparate wie Pflaster, Kaugummi, Lutschtablette, Nasenspray, Sublingual-Tablette und Nikotin-Inhaler sowie Bupropion in zahlreichen wissenschaftlichen Studien ihre Wirksamkeit nachgewiesen. Auch andere medikamentöse Therapien wie Clonidin oder Nortriptylin haben sich als wirksam erwiesen, sind jedoch aufgrund der hohen Rate auftretender Nebenwirkungen nur von begrenztem Nutzen.

Die höchsten Erfolgsquoten finden sich in Studien, in denen ausstiegsmotivierte Versuchspersonen ein von qualifizierten Experten durchgeführtes verhaltensbe-zogenes Programm durchlaufen und parallel eine passende medikamentöse Unter-stützung erhalten.

Die Bereitstellung evidenzbasierter Entwöhnungsangebote für eine große Zahl von Rauchern bei möglichst geringen Kosten ist eine große Herausforderung, insbesondere in einem in Bezug auf die Tabakentwöhnung eher rückständigen Land wie Deutschland. Ermutigende Beispiele, wie diese Herausforderung gemeistert werden kann, finden sich beispielsweise in Schottland oder Australien. In Kombination mit massenmedialen Kampagnen wurden mittels telefonischer Raucherberatung zwischen 3,6 und 6% der erwachsenen Raucher erreicht . Der Tabakentwöhnungs-anteil in Schottland konnte durch eine landesweite telefonische Entwöhnungsaktion um etwa 2% gesenkt werden (Platt et al. 1997).

Die Frage, was wirklich wirksam ist, sollte gerade in Hinblick auf den Impact-Faktor in einem weiteren Kontext betrachtet werden:

Welche Angebote oder Methoden sind bei welchen Zielgruppen in Bezug auf welches Ziel in welchem Maße wirksam?

Hierbei muss die Frage nach der Zielgruppe (individuell oder bevölkerungsweit) und dem Therapieziel (kontinuierliche Abstinenz, Konsumreduktion, Stadienmigration) genauer beleuchtet werden. Am meisten Wirkung lässt sich in Bezug auf die besorgniserregende deutsche Prävalenzrate erzielen, wenn verhältnisorientierte Tabakkontrollmaßnahmen durch leicht zugängliche und effektive Entwöhnungs-angebote flankiert werden.

Peter Lindinger
Dipl-Psych. MA 
Deutsches Krebsforschungszentrum 
WHO Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle 
Mitglied des Wissenschaftlichen Aktionskreis Tabakentwöhnung (WAT) e.V. 
Im Neuenheimer Feld 280 
69120 Heidelberg 
Telefon: 0 62 21 / 42 30 09 
Fax: 0 62 21 / 42 30 20