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Die Gesundheitskonsequenzen des Rauchens sind während und nach der Schwangerschaft von großer Bedeutung. Neben den gesundheitlichen Konsequenzen für die rauchende Frau, führt Rauchen während der Schwangerschaft zu einer Vielzahl gesundheitlicher Komplikationen für das Neugeborene. Für die Zeit nach der Schwangerschaft ist vor allem die Exposition des Neugeborenen und Kleinkindes zu Tabakrauch (hauptsächlich durch elterliches Rauchen) eine bekannte Ursache für verschiedene gesundheitliche Probleme.
In Deutschland rauchen 36% der Frauen zu Beginn der Schwangerschaft, davon hören während der Schwangerschaft 36-49% auf [1]. Nach der Schwangerschaft sind 49% der Kinder im Alter bis 5 Jahre in Deutschland Tabakrauch ausgesetzt [2]. Die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem spiegeln sich darin, daß 25% der Krankenhausaufenthalte wegen Mittelohrentzündungen und Atemwegserkrankungen bei Kindern unter 5 Jahren sind auf Exposition zu Tabakrauch zurückzuführen sind [3].
Interventionen für Frauen während der Schwangerschaft haben gezeigt, daß diese Zeit eine gute Möglichkeit darstellt auf das Rauchverhalten einzuwirken, ebenso wie die Zeit nach der Geburt für Rauchberatung und Initiativen zur rauchfreien Familie genutzt werden kann. Ein ideales Präventionsprogramm sollte Rauchberatung vor und zu Beginn der Schwangerschaft beinhalten, verstärkt die Frühschwangerschaft nutzen, Frauen in der Spätschwangerschaft unterstützen, postpartal den Frauen helfen, die es geschafft haben das Rauchen einzustellen, und den Partner einbeziehen. Während jedoch viele Studien gezeigt haben, dass Intervention möglich ist, ist unklar, wie solch eine Intervention in die Routineversorgung überführt werden kann. Die meisten Studien laufen zur Kontrolle der internen Validität unter wissenschaftlichen Bedingungen und schränken somit zwangsläufig die ökologische Validität für die Routineversorgung ein. Ebenso wurden die meisten Studien im anglo-amerikanischen Raum durchgeführt, was eine Übertragung auf bundesdeutsche Verhältnisse erschwert. Ein weiterer Nachteil der publizierten Untersuchungen ist, daß sie häufig sehr viel Wert auf die Darstellung statistischer Ergebnisse legen, die durchgeführte Beratung oder Intervention jedoch nicht sehr anschaulich dargestellt wird.
Ziel dieses Beitrags ist die Vorstellung eines Interventionskonzeptes für die Routineversorgung von Frauen postpartum. Es wird der Bevölkerungsimpact, die Effektivität als auch die inhaltliche Gestaltung vorgestellt.
Das Interventionskonzept beruht auf einer randomisiert, kontrollierten Studie mit einem zwei-faktoriellen Design zum Vergleich einer Kontroll- mit einer Interventionsgruppe und Nachfolgeerhebungen nach 6, 12, 18 und 24 Monaten. Von Mai 2002 bis März 2003 wurden alle Frauen auf 6 Neugeborenenstationen in Mecklenburg-Vorpommern auf ihren Rauchstatus zu Beginn der Schwangerschaft befragt und zur Teilnahme an der Studie bewegt. Alle Frauen, die angaben vor der Schwangerschaft geraucht zu haben und ihr Einverständnis in die Studie gaben wurden zufällig der Interventions- oder Kontrollgruppe zugewiesen. Die Interventionsgruppe erhielt ca. 4 Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt eine Rauchberatung in häuslicher Umgebung und 2 telefonische Nachberatungen /4 und 12 Wochen später), die Kontrollgruppe erhielt postalisch Selbsthilfebroschüren.
Während der Erhebung haben in der Studienregion 3343 Frauen ein Kind geboren. Es wurden 2790 Frauen durch unsere Studie erreicht (83%), 553 Frauen konnten aufgrund medizinischer oder versuchstechnischer Probleme nicht ereicht werden, 1128 (41%) Frauen gaben an vor der Schwangerschaft geraucht zu haben, wovon 869 (76%) Frauen ihre Einwilligung zu einer Rauchberatung gaben. Von diesen wiederum nahmen 642 (74%) tatsächlich an der Intervention teil. 6 Monaten spatter konnten noch ca. 91% erreicht werden. Somit steht das erste Ergebnis der Untersuchung fest: Es ist möglich durch ein systematisches Screening auf der Neugeborenenstation den Großteil der Frauen zu erreichen und auch für eine Rauchberatung zu gewinnen.
Die Effektivität der Beratung spiegelt sich darin wieder, dass der Anteil der Nichtraucherinnen in der Interventionsgruppe nach 6 Monaten statistisch signifikant größer war als in der Kontrollgruppe (5% - level, Fisher's exakt Test = 9.51; 36% vs. 28%). Der Haupteffekt der Intervention lag in der Verhinderung eines Rückfalls. Das zweite Ergebnis der Untersuchung ist somit, daß sich die Intervention die durchgeführt wurde als effektiv zur Verhinderung eines Rückfalls nach der Schwangerschaft beitrug.
Die Beratung selber wurde nach den Prinzipien der motivierenden Gesprächsführung [4] und dem Transtheoretischen Modell der Verhaltensänderung (TTM) durchgeführt [5]. Zu Beginn eines jeden Kontaktes wurden die Frauen nach Ihrer Bereitschaft gefrgat das rauchverhalten ändern zu wollen. Dies führte in eine Klassifikation in 6 Stadien: 1. Absichtslosigkeit Rauchen (Ich rauche nicht, und möchte auch in absehbarer Zeit nicht mehr damit anfangen), 2. Absichtsbildung Rauchen (Ich rauche nicht, möchte aber nach dem Abstillen oder innerhalb der nächsten 6 Monate wieder anfangen), 3. Vorbereitung Rauchen (Ich rauche nicht, möchte aber in den nächsten 4 Wochen wieder anfangen), 4. Absichtslosigkeit Nichtrauchen (ich rauche und möchte in absehbarer Zeit auch nicht damit aufhören), 5. Absichtsbildung Nichtrauchen (ich rauche, möchte aber in den nächsten 6 Monaten mit dem Rauchen aufhören) und 6. Vorbereitung Nichtrauchen (ich rauche, möchte aber in den nächsten 4 Wochen mit dem Rauchen aufhören). Aufgrund dieser Einteilung wurden mit jeder Frau verschiedene Aspekte des Rauchens, Nichtrauchens und der Veränderung des Rauchens besprochen.
So lassen sich zum Beispiel Frauen in Absichtslosigkeit Rauchen beschreiben als Frauen, die überzeugt sind nicht mehr zu rauchen. Dieses wurde durch die Berater verstärkt. Das Hauptziel der Beratung ist eine Verhinderung des Rückfalls. Die Gründe für eine Abstinenz, die Identifizierung von Stressoren und möglichen Rückfallsituationen, sowie mögliche Bewältigungsstrategien wurden identifiziert und besprochen. Frauen in diesem Stadium sind sehr offen über dieses Thema zu reden und die Gesprächsatmosphäre wird als sehr angenehm empfunden. Sie können über die Rolle des Rauchens vor der Schwangerschaft befragt werden und wie sie es geschafft haben aufzuhören. Systematisches Ansprechen von Strategien der Verhaltensänderung im Rahmen des TTM (z.B. Sti,muluskontrolle, Informationsvermittlung, Verstärkung, soziale Unterstützung etc.) zielt darauf ab die Fähigkeiten der Frauen zu verbessern um rauchfrei zu bleiben. So existieren für jede Kategorisierung spezifische Strategien. Die zugrundeligenden Strategien bei allen Interventionen sind (a) Empathie ausdrücken, (b) Diskrepanzen entwickeln, (c) mit Widerstand umgehen und (d) Selbstwirksamkeit stärken.
Fazit: Die Intervention ist leicht zu erlernen, gut durchführbar, erreicht den Großteil der betroffenen Frauen und ist effektiv. In Zukunft sollte über eine Implementierung in die Routineversorgung erfolgen, durch z.B. Hebammen oder andere Berufsgruppen, die einen engen Kontakt zu der Zielgruppe pflegt.
Die Studie wurde als Teil des Forschungsverbundes "Frühintervention bei Suchtmittelgebrauch" (Early Substance Use Intervention; EARLINT) gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen: 01EB0120, 01EB0420) sowie das Sozialministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Förderkennzeichen:IX311a406.68.43.05).
Literatur
1. Lang, P., Förderung des Nikotinverzichts bei Schwangeren und Eltern von Säuglingen [Promotion of nicotine abstinence in pregnant women and parents with infants].Sucht, 1998. 44: p. 57-58.
2. Helmert, U. and P. Lang, Passivrauchen bei Kindern im Alter bis zu 5 Jahren. Gesundheitswesen, 1997. 59(7): p. 461-6.
3. Thyrian, J.R., et al., Tabakrauchexposition in der Wohnung und stationäre Behandlungen von Kindern unter 5 Jahren in Deutschland. Deutsche Medizinische Wochenschrift, eingereicht.
4. Miller, W.R. and S. Rollnick, Motivational interviewing: preparing people for change. 2nd edition. 2002, London: The Guilford Press.
5. Prochaska, J.O. and C.C. DiClemente, Stages and processes of self-change of smoking: toward an integrative model of change. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 1983. 51(3): p. 390-5.
J. R. Thyrian
Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin
Universität Greifswald
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