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Eine Initiative für optimale Anwendung

EU-Tagung in Wildbad Kreuth vom 20. bis 22. Mai 1999

Klinikum der Universität München
Klinik für Anästhesiologie
Abteilung für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie
Leiter: Prof. Dr. Dr. h.c. W. Schramm

Bundesministerium für Gesundheit
Referat Blut und Blutprodukte, Sera und Impfstoffe
Leiter: Reg. Dir. Friedger von Auer


In der EU wurden bisher bereits drei Tagungen zur Blutsicherheit durchgeführt: in Rom, Adare und Wien. Während bisher die Sicherheitsaspekte bei der Gewinnung von Blut und der Herstellung von Blutprodukten im Mittelpunkt standen, wurde jetzt unter der deutschen EU-Präsidentschaft das letzte Glied der Transfusionskette, die Anwendung der Produkte, zum Thema einer vom BMG mit Unterstützung der EU-Kommission ausgerichteten Arbeitstagung gemacht. Hiermit wurde die wiederholt in EU-Verlautbarungen aufgestellte und durch den Vertrag von Amsterdam untersetzte Forderung aufgegriffen, dass Blutprodukte kritisch und nach rationalen Gesichtspunkten eingesetzt werden sollen. Die therapeutische Anwendung ist der Zielpunkt und damit oberster Zweck in der Bluttransfusionskette.

Grußworte wurden von Seiten des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und der Europäischen Kommission gehalten.

Zu der geschlossenen Tagung in Wildbad Kreuth unter Leitung von Prof. Schramm (Uni München) wurden aus jedem Mitgliedsstaat der EU und des EWR vier Experten eingeladen. Zur Vorbereitung erhielten die Teilnehmer Diskussionspapiere zu den einzelnen Themen sowie einen "Syllabus" mit einer Zusammenstellung der aktuellen Literatur und wichtiger Guidelines. In 6 Arbeitsgruppen wurden die Schwerpunkte Erythrozyten, Thrombozyten, Albumin und Gefrorenes Frischplasma, Gerinnungsfaktor VIII und IX, Qualitätsmanagement und ökonomische Aspekte bearbeitet.


Erythrozyten

Als zentrale Themen wurden diskutiert: Versorgungssituation, Restrisiken, Wirksamkeit sowie unangebrachte Anwendung. In Studien wurde gezeigt, dass eine z.T. um über 30% erhöhte Anwendung beobachtet wird. Um eine unnötige Behandlung zu vermeiden, sollte vermehrtes Augenmerk auf adäquate verbrauchs- und blutsparende Programme gelegt werden. Auch die Beziehung der Bluttransfusion zur Erkrankungshäufigkeit und Mortalität von Patienten wurde diskutiert. Patienten benötigen ein Produkt mit maximaler Sauerstoff-Transportkapazität und minimalem Risiko. Jede Klinik  sollte ein Qualitätsmanagement einführen, das besonders ausgebildetes Personal mit Verantwortlichkeit für die Qualität der Transfusion von Blutkomponenten und Blutpräparaten gewährleistet.


Thrombozyten

Auch bei den Thrombozyten sind erhebliche Unterschiede im Verbrauch festzustellen. Die klinische Entscheidung zur Thrombozytentransfusion soll sich streng an der individuellen klinischen Situation des Patienten orientieren. Zur Entscheidungsfindung sollten z.B. Methoden wie Algorithmen entwickelt werden. Bessere Methoden zur Beurteilung sowohl des Blutungsrisikos als auch der Effektivität der Thrombozytentransfusion wären wünschenswert. Ein Problem bleibt die "Refraktorität", d.h. das bei zahlreichen Patienten verminderte oder fehlende Ansteigen der Thrombozyten. Eine häufig zugrunde liegende Alloimmunisierung kam durch Verwendung leukozytendepletierter Thrombozytenkonzentrate reduziert werden.


Albumin

Albuminlösungen sind ein seit ca. 50 Jahren verwendetes Mittel zum Volumenersatz. Dennoch zeigte es sich, dass zu seinem Einsatz in der modernen (Intensiv-)Medizin nicht ausreichend aussagekräftige Daten vorliegen. Inzwischen gibt es mit kristalloiden und nicht-proteinhaltigen kolloidalen Infusionslösungen in der klinischen Anwendung eingeführte und wesentlich weniger kostenintensive Alternativen. In jedem Fall sind die individuellen Gegebenheiten wie Kreislaufsituation oder Anzeichen für eine vermehrte Kapillardurchlässigkeit, aber auch Kontraindikationen und Dosisobergrenzen von Alternativpräparaten zu beachten. Die klinischen Kriterien zur Anwendung von Albumin wurden enger gefasst. Als indiziert gilt Albumin bei Austauschtransfusion und Situationen, in denen Volumenersatz mittels Kolloiden bei Neugeborenen und schwangeren Frauen erforderlich wird. Für die geläufige Anwendung als Volumenersatz, bei Verbrennung, oder bei Hypoproteinämie sollten weitere Studien im Vergleich mit Alternativen durchgeführt werden. Der gemessene Albumin-Serumspiegel ist kein ausreichender Indikator zur Anwendung.


Gefrorenes Frischplasma

Das Therapieziel bei der Gabe von Gefrorenem Frischplasma ist die Behandlung komplexer Gerinnungsstörungen, wenn spezifische Plasmaderivate nicht verfügbar sind. Es bestehen unterschiedliche Qualitäten von Gefrorenem Frischplasma (aus Vollblut oder Apherese, Einzelspende oder gepoolt, virusinaktiviert oder quarantänegelagert), und der variable Gehalt an Gerinnungsfaktoren muss berücksichtigt werden. Deshalb ist ein Monitoring der klinischen und biologischen Effekte und Ergebnisse wesentlich. Gefrorenes Frischplasma sollte nicht mehr als Volumenersatz oder zur Proteinzufuhr verwendet werden. Wenn allerdings die Indikation (Behandlung komplexer Gerinnungsstörungen) korrekt gestellt wurde, ist es ganz wesentlich, ausreichend hoch zu dosieren.


Gerinnungsfaktoren VIII und IX

Die Hämophilie A und B (Faktor VIII- bzw. IX-Mangel) ist eine vergleichsweise seltene Erkrankung. Register zur anonymen Erfassung der Patienten sind erforderlich. Mit Hilfe dieser Register können zusätzlich Pharmakovigilanzprogramme etabliert und unbeabsichtigte Wirkungen möglichst frühzeitig erfasst werden. Für die Behandlung ist ein Netzwerk von erfahrenen Hämophilie-Behandlungszentren dringend erforderlich, die ein umfassendes Angebot der Behandlungsmöglichkeiten gewährleisten. Die bestehenden Therapierichtlinien sollen innerhalb der verschiedenen Mitgliedsstaaten harmonisiert werden. Die prophylaktische Behandlung wird allgemein für Kinder mit schwerer Hämophilie empfohlen, auch eine Immuntoleranztherapie sollte bei Patienten mit neu entdeckten Hemmkörpern ermöglicht werden. Da es sich um eine sehr kostenintensive Therapie handelt, sollen die Ergebnisse der Behandlung einschließlich der von Lebensqualitätsparametern und ökonomischen Aspekten in prospektiven Studien belegt werden.


Qualitätsmanagement

Die Teilnehmer der Wildbad-Kreuth-Initiative waren sich einig, dass die Entscheidungsträger überzeugt werden müssen, in allen Krankenhäusern Qualitätsmanagementsysteme für den klinischen Gebrauch von Blut und Blutprodukten einzuführen. Dazu erforderliche Transfusionskommissionen und Qualitätsmanager (Transfusionsbeauftragte / Transfusionsverantwortliche) sind Mittler zum Umsetzen entsprechender Richtlinien. Im übrigen soll die grundsätzliche Ausbildung des in der Bluttransfusionskette beteiligten Personals und aller Ärzte in den Grundprinzipien der Transfusionsmedizin verstärkt werden. Gefordert wird auch die Dokumentation der Gabe von Blut, ihre Auswertung auch im Hinblick auf die Erfolge der Behandlung und ein Informationssystem für Zwecke der Hämovigilanz.


Ökonomische Aspekte

Der derzeitige Wandel im anteiligen Verbrauch der Plasmapräparate Albumin, Immunglobuline und Faktor VIII und IX muss in seinen Auswirkungen erfasst und berücksichtigt werden. Insbesondere soll der künftige Bedarf sowie die Einführung von ökonomischen Bewertungsprinzipien wie cost/benefit, cost/utility Analysen und Lebensqualitätskriterien die optimale Anwendung von Blutkomponenten und Plasmaderivaten ermöglichen. Die notwendigen Investitionen für die Einführung des Qualitätsmanagements rechtfertigen sich aus den Vorteilen, die daraus für die Patienten, das Krankenhaus und die Kostenträger erwachsen.


Ausblick

Die Tagung wurde von den Teilnehmern als wichtig und fruchtbar beurteilt. Es zeigte sich, dass die medizinischen Traditionen und Behandlungsgewohnheiten gerade im Bereich der Blutprodukte innerhalb von EU und EWR stark differieren und dass es als erstrebenswert angesehen wurde, zu gemeinsam akzeptierten, auf Evidenzen basierenden Standards zu kommen. Hierzu sollte die Tagung, die als "Kreuth-Initiative" bezeichnet wird, einen Anfang machen. Die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Tagung, die sich an alle Beteiligten einschließlich der politischen Mandatsträger richten, sollen zusammen mit Diskussionspapieren und Syllabus in Buchforrn veröffentlicht werden.

Der Präsident des Paul Ehrlich Institutes, Prof. Kurth, gab in einem viel beachteten Schlusswort einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen, wie Stammzellen und Gentherapie, und schloss mit dem von allen Teilnehmern begrüßten Statement: "the Kreuth Initiative must go on".