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zurück Blut und Blutprodukte im Krankenhaus - 
wie man sie optimal einsetzen kann

Prof. Dr. Dr. h.c. W. Schramm,
Abteilung für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie,
Klinik für Anästhesiologie, Klinikum der Universität München

Vita

1989 wurden erstmals aus menschlichem Blut und Plasma hergestellte, medizinische Produkte in die pharmazeutische Rechtssprechung der Europäischen Gemeinschaft eingeschlossen. Die Mitgliedstaaten wurden zu diesem Zeitpunkt aufgefordert, das freiwillige, unentgeltliche Spenden von Blut und Plasma zu fördern, die Herstellung und die Anwendung der hieraus hergestellten Produkte weiterzuentwickeln und zu verbessern und auf die Eigenversorgung der Europäischen Gemeinschaft mit Blut und Blutprodukten hinzuarbeiten. In späteren Beschlüssen wurde ausdrücklich die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Verfolgung dieser Ziele gefordert. Um die Sicherheit der Blut-Transfusions-Kette und das öffentliche Vertrauen in das Transfusionswesen zu erhöhen, wurden 1994 von der Europäischen Kommission die Entwicklung einer einheitlichen "Blutpolitik" und die Einführung geeigneter Maßnahmen empfohlen. In Ergänzung zu den Bereichen der Spende, der Infektionssicherheit und der richtigen Verarbeitung von Blut und Plasma wurde hier insbesondere die Wichtigkeit der optimalen Anwendung, des "optimal use" betont. Die Notwendigkeit zur Optimierung der Anwendung von Blut und Blutprodukten wurde durch die Sanguis-Studie deutlich, in der weite Unterschiede in den gängigen Transfusionspraktiken auf internationaler und regionaler Ebene dokumentiert wurden, was nicht nur die mangelhafte Implementierung von Leitlinien, sondern auch die übermäßige und unsachgemäße Anwendung von Blut und Blutprodukten offensichtlich machte. In der 1996 stattgefundenen Tagung europäischer Experten in Adare, Irland wurde neben der Bereitschaft der Bürger, Blut und Plasma zu spenden, und der Kooperation zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft erneut die optimale Anwendung und Nutzung von Blut und Blutprodukten als wesentliche Vorraussetzung für eine erfolgreiche Eigenversorgung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft hervorgehoben. Die Bearbeitung und Fortführung dieses Themas war das Hauptziel der Tagung im Mai 1999 in Wildbad Kreuth: "Blutsicherheit in der Europäischen Gemeinschaft: Eine Initiative für optimale Anwendung". Während der drei Tage dauernden Tagung konnten für die einzelnen, unten aufgeführten Bereiche insgesamt 96 Schlussfolgerungen und 54 Empfehlungen erarbeitet werden, die im Folgenden beschrieben werden.

Als Grundlage für die Diskussion dienten die vorab zusammengestellten Hintergrund- oder Diskussionspapiere, die die wesentlichen Fragestellungen für die einzelnen Bereiche formulierten. Im Vordergrund stand die Identifikation handlungsbedürftiger Bereiche und die Initiierung wegweisender Prozesse. Beispielsweise wurde deutlich, dass die weitere Vervollständigung und der internationale Austausch epidemiologischer Daten zur Hämophilie innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ganz entscheidend zu einer verbesserten Versorgung von Patienten und zur besseren Nutzung vorhandener Ressourcen führen könnte. Ebenfalls wurden Modelle für eine zentrale und möglichst umfassende, qualitativ hochwertige Betreuung von Hämophilen diskutiert, die zum einen für den Patienten eine Verbesserung der medizinischen Versorgung darstellen könnten, zum anderen aber auch die Erhebung von Daten und den Austausch von Information und Ressourcen auf internationaler Ebene ermöglichen würden. Die optimale Anwendung von Blut und Blutprodukten kann nur durch die gleichzeitige Berücksichtigung und das sinnvolle Abstimmen von klinischen und physiologischen Aspekten mit organisatorischen Notwendigkeiten und ökonomischen Überlegungen erreicht werden. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurden Fragen des Qualitätsmanagements und ökonomische Aspekte in eigenen Arbeitsgruppen behandelt.

Klinische Leitlinien bergen in sich die Schwierigkeit, dass sie einerseits Handlungsvorgaben anbieten wollen und sollen, andererseits aber auch die meist sehr komplexe klinische Realität berücksichtigen müssen. Diese Problematik spiegelt sich insbesondere in der Diskussion um die so genannten "Transfusionstrigger" oder "Transfusionsgrenzen" bei Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten wieder: zwar können bestimmte Hämoglobin-Konzentrationen oder Thrombozytenzahlen als Transfusionstrigger vorgeschlagen werden und auch grob die besondere klinische Ausgangssituation, wie z.B. eine kardiale Insuffizienz, berücksichtigt werden, die letztliche Entscheidung jedoch, ob und in welchem Ausmaß transfundiert wird, muss dem Kliniker anhand der Abschätzung der konkreten klinischen Situation überlassen werden. Letztlich kann durch Leitlinien ein bestimmter "Handlungskorridor" vorgegeben werden, der genug Spielraum für den Großteil der klinischen Fälle vorsieht. Dieser Handlungskorridor kann verlassen werden, sofern es die spezielle klinische Situation erfordert und das abweichende Handeln begründet werden kann und dokumentiert wird. In der Wildbad Kreuth Initiative sollten zum einen sinnvolle Vorgaben für den optimalen Gebrauch von Blut und Blutprodukten entwickelt, zum anderen aber auch die verschiedenen Handlungsalternativen gegenübergestellt und gegeneinander abgewogen werden. Ein hoher Stellenwert kam hierbei der Überprüfung des gegebenen Evidenzgrades durch das Vorhandensein und die Art von klinischen Studien zu. Hierzu wurden in einem Syllabus die wichtigsten Studien zu den verschiedenen Themen zusammengetragen und entsprechend der klinischen Fragestellung, dem Studiendesign, der Art und Anzahl der untersuchten Patienten gegenübergestellt. Durch die systematische Gegenüberstellung und Diskussion wurde deutlich, in welchen Bereichen weitere Studien in klinischen oder ökonomischen Bereichen, auf nationaler und insbesondere auf internationaler Ebene notwendig sind.


Erythrozytenkonzentrate

Besonders im operativen Bereich gehören Erythrozytenkonzentrate zu den am häufigsten eingesetzten Blutprodukten. Durch die Knappheit von Blutprodukten und die sich auch hieraus ergebenden ökonomischen Überlegungen findet in der letzten Zeit vermehrt die Diskussion über einen restriktiveren, rational begründeten Einsatz von Erythrozytenkonzentraten statt. Zusätzlich konnten verschiedene Studien belegen, dass durch restriktivere Transfusionsstrategien in vielen Fällen ein gleichwertiges, in manchen Fällen sogar besseres Outcome erzielt werden konnte. Auch die verschiedenen möglichen Komplikationen einer Transfusion gebieten einen rationalen, auf das notwendige Maß beschränkten Einsatz von Erythrozytenkonzentraten. Unter den Teilnehmern der Wildbad Kreuth Initiative bestand breite Übereinkunft darüber, dass die Entscheidung zur Transfusion hochindividuell ist und von der speziellen klinischen Situation abhängig gemacht werden muss. Jedoch wird im allgemeinen bei Erwachsenen bei Unterschreiten einer Hämoglobin-Konzentration von 6 g/dl eine Transfusion von Erythrozytenkonzentraten als erforderlich und oberhalb einer Hämoglobinkonzentration von 10 g/dl als kaum notwendig angesehen. Den verschiedenen prä- und perioperativen Verfahren zur Einsparung von Erythrozytenkonzentraten wird ebenfalls ein hoher Stellenwert eingeräumt. Eng verknüpft mit den klinischen Anstrengungen, die Anwendung von Erythrozytenkonzentraten auf ein notwendiges Mindestmaß zu beschränken, sind vor allem organisatorische Bemühungen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene, die dazu beitragen können, Engpässe in der Versorgung mit Blut und Blutprodukten zu vermeiden. Beispielsweise könnte ein Blut-Austausch-Programm in der Europäischen Gemeinschaft in Form einer Einzeleinrichtung geschaffen werden, das als koordinierende Zentrale Verknappungen und verfügbare Bestände verschiedener Blutzentren - über den nationalen Bereich hinausgehend - aufeinander abstimmen könnte.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der gegenwärtigen Diskussion betrifft die Sicherheit von Blut und Blutprodukten in der klinischen Anwendung. Vor dem Hintergrund limitierter materieller und finanzieller Ressourcen und alternativer Handlungsmöglichkeiten muss der mögliche Zugewinn an Gesundheit in Relation zum hierzu notwendigen Aufwand gesehen und verglichen werden. Dies betrifft zum Beispiel besonders aufwendige Testverfahren, von denen nur ein marginaler Nutzen zu erwarten ist, die aber dennoch Ressourcen verbrauchen, die für weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Angesichts der - im Vergleich zur Übertragung von Infektionserregern wesentlich häufiger auftretenden und klinisch häufig schwerwiegenden Transfusionskomplikationen - ist besonders von Maßnahmen zur Optimierung der Bluttransfusionspraktiken, insbesondere von systematischen Schulungsmaßnahmen und der kontinuierlichen Verbesserung von Qualitätsmanagement-Strategien erheblicher Nutzen zu erwarten. Ebenfalls ist durch den gezielten Einsatz der Leukozytendepletion ein Zuwachs an klinischer Sicherheit zu erwarten.


Thrombozytenkonzentrate

Thrombozytenkonzentrate kommen bei Patienten mit verminderter Thrombozytenzahl oder mit herabgesetzter Thrombozytenfunktion entweder in prophylaktischer oder in therapeutischer Absicht zur Anwendung. Die Indikation zur Transfusion von Thrombozyten ergibt sich vor allem im operativen und hämatologisch-onkologischen Bereich. Aus der gewünschten klinischen Zielsetzung, der Blutstillung oder der Verhinderung von Blutungen, und aus dem Einsatz bei immunsupprimierten Patienten, entstehen besondere Anforderungen an das Produkt, was je nach Verfahren eine vergleichsweise aufwendige und kostenintensive Herstellung und Behandlung nach sich ziehen kann. Insofern ergibt sich auch hier eine enge Verknüpfung von klinischen, versorgungstechnischen und gesundheitsökonomischen Aspekten.

Aufgrund der Heterogenität der Patienten, die Thrombozytenkonzentrate erhalten, können keine allgemeingültigen Transfusionstrigger angegeben werden. Jedoch zeigten verschiedene Studien der letzten Zeit, dass bei bestimmten Patientengruppen die prophylaktische Transfusion bei niedrigeren Thrombozytenzahlen (10.000 /µl) keine Nachteile im Vergleich zur prophylaktischen Transfusion bei höheren Thrombozytenzahlen (20.000 /µl) ergab und dass auf diese Weise die Frequenz der Thrombozytentransfusion verringert werden konnte. Durch restriktivere Transfusionsstrategien mit gleicher klinischer Wirksamkeit könnten nicht nur Nebenwirkungen, sondern auch versorgungstechnische Engpässe weiter reduziert werden. Im Einzelfall muss die klinische Entscheidung, Thrombozyten zu transfundieren, jedoch immer auf der sorgfältigen Evaluation der individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Patienten basieren. Die Alloimmunisierung von Patienten, die aller Wahrscheinlichkeit nach wiederholt Thrombozytenkonzentrate benötigen, sollte durch die Anwendung von Produkten mit geringerer Immunogenität, wie leukozytendepletierte Blutkomponenten verhindert werden. Da bezüglich der Dosierung von Thrombozyten in der prophylaktischen und therapeutischen Anwendung nur spärliche wissenschaftliche Daten existieren, müssen zum einen geeignetere Methoden, die die Abschätzung des von Thrombozyten abhängigen Blutungsrisikos ermöglichen, entwickelt werden, zum anderen sind Untersuchungen zum Outcome von Thrombozytentransfusionen, beispielsweise in Form des korrigierten Thrombozyten-Inkrements und ein verbessertes Monitoring der klinischen Wirksamkeit von Thrombozytentransfusionen nötig.

Da verlässliche Hämovigilanz-Daten zu Thrombozyten fehlen, sollten Hämovigilanz-Systeme als Bestandteil eines Qualitätssicherungssystems entwickelt werden. Dieses beinhaltet auch die Entwicklung von Algorithmen zur korrekten Anwendung von Thrombozytenkonzentraten. Vor dem Hintergrund einer beschränkten regionalen und auch saisonalen Verfügbarkeit und den speziellen Anforderungen, die sich aus der Herstellung und der Lagerung von Thrombozyten ergeben, besteht weiterhin die dringende Notwendigkeit, die Auswirkungen möglicher Verzögerungen, die sich aus der Einführung neuer DNA-Testverfahren ergeben, zu untersuchen. Prinzipiell sollte die Einführung von DNA-Testverfahren die Freigabe von Thrombozytenkonzentraten in weniger als 24 Stunden nach der Spende ermöglichen.


Gefrorenes Frischplasma

Gefrorenes Frischplasma (GFP) ist der antikoagulierte, flüssige Anteil des Blutes, der durch Abtrennung der Blutzellen gewonnen wird und bis zur Transfusion gefroren gelagert wird. GFP enthält sämtliche Plasmaproteine, z.B. Gerinnungsfaktoren und -inhibitoren in physiologischer Konzentration. Der beabsichtigte klinische Nutzen der Infusion von GFP besteht in der Korrektur von komplexen Gerinnungsstörungen, bei denen viele Gerinnungsfaktoren und -inhibitoren beteiligt sind. GFP kann ebenfalls den isolierten Mangel eines Plasmaproteins ausgleichen, sofern das spezifische Produkt nicht verfügbar ist. Da in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft weiterhin der übermäßige und unangebrachte Gebrauch von GFP besteht, kommt der Definition der korrekten Indikationsstellung besondere Bedeutung zu:

Zu den allgemein akzeptierten Indikationen für den Einsatz von GFP zählen die Kompensation des Abfalls von Gerinnungsfaktoren bei massiven Blutungen, die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) in Abhängigkeit von der klinischen Situation und von der mit Laboruntersuchungen erfassten Dynamik des Verbrauchs von Gerinnungsfaktoren und -inhibitoren, die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) und ein Mangel an Gerinnungsfaktoren wie Faktor V, Faktor XI, Protein C oder Protein S, in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit spezifischer Konzentrate. Bei der Behandlung von Gerinnungsstörungen mit gefrorenem Frischplasma ist es außerordentlich wichtig, dass die initiale Dosis hoch genug ist. Eine initiale Dosis von weniger als 10 ml / kg Körpergewicht ist klinisch nicht wirksam und daher eine Verschwendung von Ressourcen. Die Dauer der Therapie sollte durch klinische Beobachtung und durch Verlaufsbestimmung der Gerinnungsparameter bestimmt werden. Es gibt keinen dokumentierten klinischen Nutzen für die Anwendung zum Volumenausgleich, zur parenteralen Ernährung oder zum Proteinersatz. Gerinnungsstörungen aufgrund gestörter Synthese bei chronischer Leberschädigung stellen keine Indikation für die Anwendung von GFP dar, solange der Patient klinisch stabil ist. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ist GFP in verschiedenen Qualitäten verfügbar. Es kann aus Vollblut-Spenden oder durch Plasmapherese gewonnen werden. Es gibt quarantänegelagerte und virusattenuierte GFP-Aufbereitungen aus Einzelspenden oder aus gepooltem Plasma. Solche quarantänegelagerten oder virusattenuierten Präparate sollten zur Erhöhung der Sicherheit auch zur Anwendung kommen. Aufgrund des unterschiedlichen individuellen Proteingehalts bei Plasmaspendern und den oben erwähnten Unterschieden in der Aufbereitung kann weiterhin der Gehalt an gerinnungsaktiven Proteinen im GFP beträchtlich variieren. Daher besteht die Notwendigkeit zum Monitoring der klinischen Wirksamkeit von GFP beim jeweiligen Patienten, was die Verfügbarkeit eines Gerinnungslabors voraussetzt.


Albumin

Albumin ist ein natürliches Kolloid und Transportprotein, das seit über 50 Jahren zum Volumenersatz verwendet wird. Klinische Situationen, die einen Volumenersatz notwendig machen, sind häufig. Alternativ stehen kristalloide und kristalline Substanzen und synthetische Kolloide zur Verfügung, die zwar preiswerter sind, deren maximal zuführbare Menge aber durch Nebenwirkungen, wie z.B. Wechselwirkungen mit dem Gerinnungssystem, eingeschränkt sind. Der Konsens bezüglich der klinischen Kriterien zur Anwendung von Albumin ist gering, nicht zuletzt, da die Definition klinischer Endpunkte schwierig und die Evidenz aus veröffentlichten klinischen Studien gering ist. Bei den Teilnehmern der Wildbad Kreuth Initiative bestand Übereinkunft über die Anwendung von Albumin bei Austauschtransfusionen und Plasmaaustausch, bei klinischer Notwendigkeit zum Einsatz von Kolloiden zur Volumensubstitution bei Neugeborenen und schwangeren Frauen und bei spezifischen Indikationen bei Neugeborenen zur Nutzung der Transporteigenschaften des Moleküls, wie z.B. bei der Hyperbilirubinämie. Die individuelle Situation des Patienten, einschließlich kataboler Vorgänge, der Integrität der Mikrozirkulation, dem Status der Makrozirkulation und die Flüssigkeitsbilanz, muss berücksichtigt werden. Ein verringerter Albumin Serum-Spiegel allein ist für die Indikationsstellung nicht ausreichend. Der weitaus größte Teil an Albumin wird derzeit in klinischen Situationen, in denen Alternativen verfügbar sind, verbraucht. Bei Verbrennungen besteht in Abhängigkeit vom Ausmaß der betroffenen Hautfläche und der Fähigkeit der Leber, einen Abfall des Albumin-Spiegels zu kompensieren, eine gewisse klinische Grundlage, aufgrund derer Albumin nach Ablauf der ersten 24 Stunden angewendet werden kann. Ein niedriger Plasma-Spiegel von Albumin im Rahmen von Erkrankungen, die mit einer Hypoproteinämie assoziiert sind, ist keine Indikation zur Anwendung von Albumin. Insgesamt sind zur überzeugenden Darstellung des klinischen Nutzens von Albumin in Bezug auf messbare klinische Endpunkte im Vergleich zu anderen Kolloiden wesentlich umfangreichere Daten aus weiteren, gut geplanten klinischen Studien erforderlich. Weiterhin sollten die klinischen Auswirkungen von Präparaten mit unterschiedlichen Albumin-Konzentrationen und einem unterschiedlichen Gehalt an Natrium hinsichtlich der klinischen Effektivität und der ökonomischen Konsequenzen weiter abgeklärt werden.


Gerinnungsfaktoren

Die Hämophilie betrifft weltweit ca. 1 von 10.000 Menschen. Es wird angenommen, dass in den Industrieländern die Zahl der Patienten mit schwerer Hämophilie in den nächsten Jahrzehnten ansteigen wird, verbunden mit einem Anstieg in der Nachfrage für Gerinnungsfaktoren. Genaue Daten zur aktuellen Anzahl der Hämophilie-Patienten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft oder über den momentanen Verbrauch an Gerinnungsfaktor-Konzentraten sind nicht verfügbar. Die Zusammenstellung epidemiologischer Informationen über an Hämophilie und an ähnlichen angeborenen Störungen Erkrankte könnte dazu beitragen, den Bedarf an Gerinnungsfaktor-Konzentraten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft vorherzusagen. Diese Informationen könnten auch in ein Programm zur Sicherheit von Blutprodukten oder von Pharmaka (Hämo-, bzw. Pharmakovigilanz) integriert werden, innerhalb dessen die Patienten ein Monitoring von Komplikationen, wie die Entwicklung von Inhibitoren, allergische Reaktionen oder Virus-Übertragung erfahren könnten.

Viele Patienten mit Hämophilie oder ähnlichen angeborenen hämorrhagischen Erkrankungen werden durch einen Allgemeinarzt oder durch einen nicht spezialisierten Kinderarzt behandelt, da ihnen der Zugang zu Spezialisten mit spezifischer hämatologischer Ausbildung fehlt. Daher sollte die Etablierung spezieller Einrichtungen in Erwägung gezogen werden, die auf die medizinische Versorgung dieser Patienten ausgerichtet sind. Diese Einrichtungen könnten die Erfahrung verschiedener Spezialisten zusammenführen und im Rahmen eines klinischen Gesamtkonzepts eine umfassende Betreuung ermöglichen. Sie müssten auf die Anzahl der Patienten und auf die Verteilung der Patienten im jeweiligen Land hin ausgerichtet sein.

Durch die Herstellung rekombinanter Gerinnungsfaktoren haben sich in der Behandlung von Patienten mit Hämophilie oder mit anderen Gerinnungsstörungen verschiedene neue Aspekte ergeben. Obwohl aufgrund der Verwendung von aus Plasma gewonnenem Humanalbumin in der Herstellung oder zur Stabilisation im Endprodukt bei verschiedenen rekombinanten Präparaten das Risiko der Übertragung humaner Pathogene nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, besteht Übereinkunft darüber, dass rekombinant hergestellte Gerinnungsfaktoren gegenüber den aus Plasma gewonnenen eine erhöhte Sicherheit zeigen. Andererseits muss die Inzidenz der Inhibitorentwicklung bei Patienten, die rekombinanten Faktor VIII erhalten, beachtet werden. Insgesamt erlauben die wissenschaftlichen Daten derzeit keine definitive Stellungnahme zugunsten rekombinanter Präparate gegenüber den aus Plasma gewonnenen Präparaten. Weiterhin sind die Kosten für rekombinante Produkte beträchtlich höher als die für konventionelle Produkte. Besondere Beachtung sollte den möglichen negativen Auswirkungen für den Fall eines Monopols in der Produktion von Gerinnungsfaktor-Konzentraten außerhalb der Europäischen Gemeinschaft entgegengebracht werden. Die Forschung im Bereich entstehender rekombinanter Technologien in der Europäischen Gemeinschaft muss daher gefördert und finanziert werden. Bezüglich der Behandlung spontaner Blutungen bei hämophilen Patienten besteht weitgehende Übereinkunft. Dennoch könnte aus der Harmonisierung der zahlreichen Leitlinien innerhalb der Europäischen Union und der Erweiterung um Ratschläge zur Dosierung bei allgemeinen Problemen beachtlicher Nutzen entstehen. Da Immuntoleranz-Verfahren in der Mehrzahl der Fälle wirksam sind, sollten sie allen Patienten mit schwerer angeborener Hämophilie, die neue Inhibitoren entwickeln, angeboten werden. Allerdings bestehen unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Behandlungsprotokolle. Hier könnten Studien zum Vergleich von Protokollen mit zusätzlicher Gabe von Faktor VIII in niedriger oder hoher Dosierung von großem Wert sein. Als allgemeine Regel wird die prophylaktische Behandlung von Kindern mit schwerer Hämophilie empfohlen. Obwohl dies zu erhöhten initialen Ausgaben für Plasmaprodukte führt, könnten weitere Kosten durch eine geringere Anzahl von Krankenhausbesuchen und Krankenhausaufenthalten vermindert werden. Auf lange Sicht kann eine prophylaktische Therapie die Beschäftigungsmöglichkeiten, die Einkommen und das Steueraufkommen sichern und insbesondere die Lebensqualität verbessern. Geklärt werden müssen noch verschiedene umstrittene Fragen, wie zum Beispiel, wann die Prophylaxe begonnen wird und wann sie beendet werden kann.


Qualitätsmanagement

Die Transfusion von Blut ist ein therapeutischer Prozess, der aus zahlreichen Einzelschritten besteht. Diese müssen genau kontrolliert werden, um Sicherheit für die Patienten zu garantieren und um unerwünschte Nebenwirkungen zu verhindern. Die einzelnen Schritte können direkt patientenbezogen sein, wie z.B. das Erfassen des körperlichen Zustandes und die Indikationsstellung zum Einsatz eines Blutproduktes, sowohl im Notfall, als auch in der Routine. Weitere patientenbezogene Schritte sind die Identitätssicherung, die Aufklärung und die Einverständniserklärung zur Transfusion und die Entnahme einer Blutprobe zur weiteren Diagnostik (Blutgruppe, Screening und Kreuzprobe) vor der Transfusion. Produktbezogene Schritte in diesem Prozess schließen die Anforderung des jeweiligen Blutproduktes, die Bereitstellung von Blutprodukten durch den Transfusionsdienst, die Identifikation der gekennzeichneten Konserve, die Ausgabe an und die Lagerung auf der Station und die Verwaltung eingesetzter und nicht eingesetzter Blutprodukte (z.B. Überprüfung der Qualität nicht eingesetzter Blutprodukte) ein. Zuletzt können die einzelnen Schritte sowohl den Patienten, als auch das Blutprodukt betreffen, wie es z.B. bei der Identifizierung von Patient und Produkt vor der Transfusion, bei der Verabreichung des Produktes und bei der Dokumentation von frühen und langfristigen Outcome-Parametern (z.B. klinische Wirksamkeit, Sicherheit) der Fall ist. Einige dieser Schritte können vernachlässigt werden, wenn Plasma-Derivate (z.B. Gerinnungsfaktoren) zur Anwendung kommen. Als qualitätsbezogene Hauptprobleme in der klinischen Anwendung von Blut und Blutprodukten wurden die folgenden Punkte identifiziert:

Signifikante Unterschiede im Gebrauch von Blutprodukten in vergleichbaren klinischen Situationen, die sowohl den übermäßigen Gebrauch, der zu einer Verschwendung von Ressourcen und zu einem unnötigen Risiko für die Patienten führt, als auch einen potentiell zu geringen Gebrauch, implizieren. Die unsachgemäße Anwendung von Blut und Blutprodukten (z.B. ist die Inzidenz von Transfusionszwischenfällen derzeit höher als die der durch Transfusion übertragenen viralen Erkrankungen); und ein Mangel an Dokumentation, der zum Fehlen oder zur Unzugänglichkeit von einerseits prozessbezogenen Daten führt, die für die Rückverfolgung von Produkten und die Feststellung von Verantwortlichkeiten erforderlich sind, und andererseits von Outcome-Daten, die zur Evaluation von klinischer Wirksamkeit und Sicherheit ("Hämovigilanz"/ "Pharmakovigilanz") benötigt werden. Aus diesen Gründen sollte ein Qualitätsmanagement-System auch im klinischen Teil der Blut-Transfusionskette eingerichtet werden. Hierzu ist das Engagement von Personen in leitenden Positionen und von Entscheidungsträgern unumgänglich, da nur mit deren Unterstützung die notwendigen personellen und ökonomischen Ressourcen verfügbar gemacht werden können. Weiterhin müssen Qualitätsbeauftragte auf lokaler Ebene, nach dem Transfusionsgesetz der Transfusionsverantwortliche bzw. Transfusionsbeauftragte vorhanden sein, die die Verantwortung für die Implementierung des Systems, einschließlich Leitlinien, tragen und die berechtigt sind, angemessene Schritte zur Sicherung und Verbesserung von Qualität zu vollziehen. Der Qualitätsbeauftragte sollte durch das Transfusions-Komittee des jeweiligen Krankenhauses unterstützt werden, das sich aus Repräsentanten der klinischen Fachabteilungen, die in den Gebrauch von Blut und Blutprodukten involviert sind und aus Repräsentanten des Pflegepersonals, der Blut-Transfusionsdienste, der Apotheke, der Verwaltung und gegebenenfalls auch Repräsentanten der Patienten zusammensetzt. Zu den Hauptaufgaben und wichtigsten Verantwortlichkeiten des Qualitätsbeauftragten und des Transfusionskomittees gehören die Sicherung der Einhaltung von Maßnahmen, die Anpassung, die Implementierung und die Aktualisierung von Leitlinien, die Definition von standardisierten Handlungsabläufen ("Standard Operating Procedures"/ "SOPs"), die verpflichtend für das gesamte Personal sind, die Verbreitung implementierter Leitlinien und standardisierter Handlungsabläufe, die Überprüfung (internes Audit) der Einhaltung der Leitlinien und der standardisierten Handlungsabläufe, die Evaluation von Effektivität und Sicherheit ("Hämovigilanz"), die Vermittlung von Feedback an Kliniker und die Durchführung einer problemorientierten Qualitätssicherung.


Ökonomische Aspekte

Gesundheitsökonomie beschäftigt sich mit den Kosten und Konsequenzen in Zusammenhang mit der Bereitstellung klinischer Versorgung. Die Berücksichtigung ökonomischer Aspekte kann Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen bei der richtigen Allokation von Ressourcen, bei der Beurteilung bestehender und neuer Technologien im Gesundheitswesen und bei der Setzung von Prioritäten bei rivalisierenden Technologien helfen. Die Europäische Gemeinschaft gibt jedes Jahr viele Millionen Euros für das Sammeln, die Verarbeitung und den Verbrauch von Blut und Blutprodukten aus. Die veröffentlichten Kosten enthalten häufig weder die ökonomischen Konsequenzen von zu geringer, zu hoher und unangebrachter Anwendung, noch beschäftigen sie sich mit weiterführenden ökonomischen Konsequenzen wie denjenigen, die sich aus unerwünschten Nebenwirkungen, aus Produktivitätsverlust oder aus menschlichem Leiden ergeben. Obwohl die Ressourcen knapp sind, sind deutliche Unterschiede in der Transfusionspraxis und eine nicht optimale Anwendung dieser Produkte nachgewiesen, was Möglichkeiten zu einem effizienteren Einsatz impliziert. Die hohen Kosten dieser Produkte belasten die Wirtschaft einiger Länder vor allem dort, wo verbesserte Technologien neue Erwartungen auf den Gebieten der Sicherheit, Diagnosestellung und Anwendung schaffen. Begründungen für die Allokation von Ressourcen sollten nur nach sorgfältiger Betrachtung des klinischen und ökonomischen Benefits solcher Entwicklungen getroffen werden. Ökonomische Evaluationen können von verschiedenen Perspektiven aus durchgeführt werden: aus der Gesellschaftsperspektive, der Perspektive des Leistungsträgers oder der des Leistungserbringers. Die meisten Fachleute halten die Gesellschaftsperspektive für die wichtigste. Es ist wichtig, dass unabhängig von der betrachteten Perspektive die Möglichkeit gegeben ist, Ressourcen zwischen verschiedenen Budgets zu verteilen, um eine angemessene Leistungserbringung und die klinische Versorgung von Patienten ermöglichen zu können. Um die zukünftigen Bedürfnisse für Blut und Blutprodukte in der Europäischen Gemeinschaft planen zu können und um sicherzustellen, dass die optimale Anwendung unterstützt wird, ist ein hohes Maß an Evidenz notwendige Vorraussetzung für das Verständnis, wie und warum diese Produkte verwendet werden. Hierzu sind eine Anzahl von mit Effektivitäts-Studien verbundenen ökonomischen Evalutionen erforderlich, die verschiedene wichtige Themen behandeln müssten: eine systematische Durchsicht der aktuellen Literatur über die Kosten-Effektivität von Blut und Blutprodukten; die optimale Größe von Blutsammel-, Blutverarbeitungs- und Blutverteilungseinrichtungen; eine Aufstellung der Kosten von Blut und Blutprodukten in jedem Mitgliedsland und die Methoden ihrer Berechnung; den Nutzen von rekombinanten versus aus Plasma gewonnenen Gerinnungsfaktoren; den Nutzen der primären Prophylaxe mit Gerinnungsfaktoren bei Kindern und Erwachsenen; die optimale Anwendung von DNA-Testverfahren bei Blut und Blutprodukten; die Leukozytendepletion von Erythrozytenkonzentraten versus "buffycoat"-freie Erythrozytenkonzentrate; die gesamtökonomischen Auswirkungen der nicht optimalen Anwendung von Blut und Blutprodukten.