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Sichere Blutprodukte - eine ständige Herausforderung
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World Health Day 2000

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Startseite : 2000 Blut und Plasma spenden : zentrale Veranstaltung : Programm : Sichere Blutprodukte - eine ständige Herausforderung

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- eine ständige Herausforderung 

Andrea Fischer
Bundesministerin für Gesundheit

Sehr geehrter Herr Dr. Voigt,
Sehr geehrter Herr Dr. Scholtz,
Sehr geehrter Herr Professor Ipsen,

meine Damen und Herren,

ich freue mich sehr beim diesjährigen Weltgesundheitstag unter dem deutschen Motto "Blut und Plasma spenden - Leben und Gesundheit sichern" dabei sein zu können.

"Blut ist ein ganz besonderer Saft" - dieses Sprichwort ist uns allen geläufig. Seit je her hat das Blut die Phantasie der Menschen - der Ärzte, der Gläubigen und der Mystiker - angeregt. Herz und Blut, die das "Pneuma", den Lebensatem, zu den Organen  und Geweben bringen, haben für viele eine symbolische oder gar magische Bedeutung. Das wird auf grausame Weise deutlich im Ritual des Blutopfers. So brachten in Mittelamerika die Azteken im 16. Jahrhundert zur Versöhnung der Götterblutige Menschenopfer dar. Auch heute noch lebt die Tradition des Blutopfers, wenn auch mit Tierblut, fort.

Schon die alten Ägypter badeten in Blut zur Behandlung von Krankheiten. Und vielleicht hatte diese heute ja nicht mehr gebräuchliche Methode sogar über die Antikörper und die keimtötenden Bestandteile des Blutes eine gewisse Heilwirkung.

In manchen primitiven Kulturen wird heute immer noch Blut getrunken, um Krankheiten zu heilen. Die Geschichte der Bluttransfusion, die wahrscheinlich in das 15. Jahrhundert zurückreicht, weist viele Experimente, Kuriositäten, Gebote und Verbote auf.

Die medizinische Bedeutung des Blutes ist heute allgemein bekannt. Unsere moderne Medizin ist ohne Blutprodukte oder Arzneimittel auf der Basis von Blut und Plasma nicht zu denken. Die Methoden haben sich gegenüber früher freilich - zum Glück! - grundlegend geändert. Was aber seit den Anfängen der Bluttransfusion geblieben ist, sind nicht nur die Hoffnungen und Erwartungen, die in eine Behandlung mit Blut gesetzt werden, sondern die Tatsache, dass auch heute noch Risiken durch Blutprodukte nicht ganz ausgeschlossen werden können.

Wir alle wurden auf tragische Weise mit diesen Risiken konfrontiert, als in den 80er Jahren klar wurde, dass viele Menschen durch Blut und Blutprodukte mit HIV und Hepatitis infiziert worden waren. Dies hat unsere Gesellschaft durchgerüttelt und wir haben erhebliche Anstrengungen unternommen, um den Schaden - so weit dies überhaupt möglich war - wieder gut zu machen. Wir haben aber vor allem auch die Konsequenz daraus gezogen und die Voraussetzungen für ein besseres Transfusionswesen geschaffen.

Sicherheit der Blutprodukte

Die Sicherheit der Blutprodukte ist dabei das zentrale Thema. Sie muss laufend überprüft und verbessert werden. Die Zuständigkeit für die Sicherheit der Blutprodukte liegt beim Paul-Ehrlich-Institut. Dort wird engagiert und sehr sachkundig an den Sicherheitsfragen gearbeitet. Dabei geht es um neue Testverfahren ebenso wie um vorbeugende Maßnahmen gegen die Übertragung neuer, noch wenig bekannter Krankheitserreger.

Die Frage der Sicherheit von Blutprodukten bleibt ein Dauerthema und eine ständige Herausforderung. Wir müssen uns dieser Herausforderung stellen, denn es geht um Menschen, die auf sichere Arzneimittel angewiesen sind und jeder von uns kann morgen dazu gehören.

Niemand will sich dem Vorwurf aussetzen, durch Nachlässigkeit oder Untätigkeit für das Leid anderer verantwortlich zu sein. Deshalb ist es richtig, dass eher eine Vorsichtsmaßnahme zu viel als eine zu wenig oder gar keine Maßnahme ergriffen wird. Vorfälle wie die HIV-Übertragung durch Blut oder die Vielzahl von HCV-Infektionen bei Frauen in der ehemaligen DDR im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge dürfen sich nicht wiederholen.

Heute sind Blutprodukte nach unserem gegenwärtigen Kenntnisstand sicher, wenn auch ein geringes Restrisiko nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Bei Bluttransfusionen liegt das Risiko einer HIV-Übertragung heute bei eins zu einer Million, das heißt, dass auf eine Million Transfusionen eine HIV-Übertragung kommen kann. Bei Plasmaprodukten, wie dem Faktor VIII für Bluter, gibt es ein messbares Restrisiko heute nicht mehr.

Diese Sicherheit hat auch ihren Preis. Doch gesamtwirtschaftlich gesehen zahlt sich diese Investition aus, weil durch sichere Produkte weniger Nebenwirkungen entstehen und die Patienten besser behandelt werden können.

Wir wissen durch die jährliche Erhebung, die das Robert Koch-Institut durchführt, dass die Verbreitung von im Blutspendewesen relevanten Infektionserregern in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland sehr niedrig ist. Bei gut untersuchten Dauerblut- und Plasmaspendern ist die Rate noch geringer.

Um den Sicherheitsstandard zu halten und auszubauen sind wir auf wissenschaftliche Zuarbeit angewiesen. Ausdrücklich erwähnen möchte ich an dieser Stelle die Leistungen desWissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer , der die fachlichen Standards zur Blut und Plasmaspende und zur Anwendung der Blutprodukte erarbeitet. Die Bundesärztekammer ist hier sehr aktiv. Dafür möchte  ich allen Beteiligten herzlich danken.

Auch der Arbeitskreis Blut arbeitet äußerst engagiert und sachkundig an Einzelfragen mit und macht die Ergebnisse in Voten bekannt. Diese Voten finden auch international Beachtung. Hervorheben möchte ich die Aussagen zur Rückverfolgung im Falle aufgefallener Blutprodukte. Hier sind detaillierte Vorgehensweisen aufgezeigt, die sehr hilfreich sind, Patientinnen und Patienten vor Risiken und Schäden durch schadhafte oder verunreinigte Blutprodukte zu schützen. Auch dem Arbeitskreis Blut möchte ich ausdrücklich für seine Arbeit danken.

Organisation des Blut- und Plasmaspendewesens

Besondere Anforderungen in Bezug auf Sicherheit ergeben sich daraus, dass wir in Deutschland ein auf mehrere Träger verteiltes Blut- und Plasmaspendewesen haben. Das Deutsche Rote Kreuz, das den größten Anteil des benötigten Blutes und Plasmas gewinnt, die Länder und Gemeinden, sowie die pharmazeutische Industrie - sie alle sind Träger von Spendeeinrichtungen.

In vielen anderen Ländern ist alles zentral organisiert und von starker staatlicher Hand geführt. Dies ist bei uns nicht der Fall, und ich finde das gut so. Denn Bewährtes muss nicht ohne Not geändert werden. Es hat sich auch gezeigt, dass dadurch  ein gesunder Wettbewerb zwischen den Spendeeinrichtungen entsteht, der die Phantasie und den Ehrgeiz für Neuerungen und Weiterentwicklungen beflügelt. Alle geben sich Mühe in der Betreuung ihrer Spender, denn sie möchten sie halten und neue hinzugewinnen. Und wir brauchen Menschen und ihre uneigennützige Bereitschaft, Blut und Plasma für andere zu spenden.

Selbstversorgung

Unser Ziel ist die Selbstversorgung mit Blut und Plasma, damit wir von Importen aus Ländern außerhalb der Europäischen Gemeinschaft unabhängig sind. Denn wenn dort eine Epidemie ausbricht, wie das bei HIV der Fall war, dann müssen die Importe unverzüglich gestoppt werden können, ohne die Versorgung zu gefährden.

Den Bedarf an Blut können wir heute bereits selber decken. Bei Plasma besteht noch eine Lücke von 100 bis 200 Tausend Litern. Hier sind wir immer noch auf Importe angewiesen. Es ist viel getan worden, um die Kapazitäten zur Plasmagewinnung aufzubauen. Ich bitte alle Beteiligten, sowohl diejenigen, die das Plasma gewinnen, als auch diejenigen, die es zur Weiterverarbeitung abnehmen, so zusammenzuarbeiten, dass wir den Grad der Selbstversorgung halten und weiter ausbauen können. Das ist im wohl verstandenen Interesse aller, vor allem aber der Patientinnen und Patienten, die auf die zuverlässige Versorgung mit Plasmaarzneimitteln angewiesen sind.

Transfusionsgesetz

Das Transfusionsgesetz, das als Konsequenz aus den HIV-Übertragungen durch Blut erarbeitet und von einer breiten Mehrheit im Bundestag verabschiedet wurde, enthält die zentralen Regelungen für ein sicheres Transfusionswesen.

Es legt fest, wie die Qualifikation der medizinischen Leitung der Spendeeinrichtungen aussehen muss, damit Blut und Plasma qualifiziert und sachgerecht bei den Spendern entnommen werden. Es regelt, welche Tests auf die derzeit relevanten Infektionsmarker durchgeführt werden müssen. Es enthält auch Regelungen zur Dokumentation der Blut- und Plasmaspende. Denn dies ist sehr wichtig, um im Ernstfall rückverfolgen zu können, wer der Spender war, wenn ein Blutprodukt infektiös ist.

Das Gesetz enthält auch Regelungen für die Einführung einesQualitätssicherungssystems bei der Anwendung von Blutprodukten in den Krankenhäusern, die sich zur Zeit in der Umsetzung befinden.

Der Gedanke der Qualitätssicherung hat zur Zeit in vielen Bereichen hohe Konjunktur, denn wir wollen mehr Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen durch eine verbesserte Qualität der Versorgung. Deshalb ist Qualitätssicherung auch ein Schwerpunkt der Gesundheitsreform 2000.

Das Transfusionsgesetz hat hier bereits Maßstäbe gesetzt. Sehr konkret werden die Eckpunkte des Qualitätssicherungssystems beschrieben und verbindlich gemacht. Nur so können wir die Sicherheit bei der Lagerung und Anwendung von Blutprodukten in den Krankenhäusern und die optimale Versorgung der Patienten garantieren und weiter verbessern.

Häufig wird kritisiert, dass die Entwicklung eines Qualitätssicherungssystems aufwendig und kostenträchtig sei. Ich stimme dem zu, dass zunächst Mühe und Aufwand erforderlich sind. Jedoch bin ich überzeugt davon, dass mittel und langfristig dieser Aufwand wettgemacht wird. Es lassen sich nicht nur Mittel und Ressourcen dadurch einsparen, dass der Verbrauch an Blutprodukten verringert wird. Durch eine gut kontrollierte und optimale Behandlung der Patienten können die Krankenhäuser zusätzlich Einsparungen erzielen, weil z.B. Komplikationen vermieden und die Verweildauer der Patienten im Krankenhaus verringert werden.

Europäische Ebene

Das Thema Qualität im Umgang mit Blut und Blutprodukten beschäftigt uns auch auf europäischer Ebene. Mit großem Interesse habe ich die Ergebnisse der EU-Tagung in Wildbad Kreuth: "Blutsicherheit in der Europäischen Gemeinschaft - eine Initiative für optimale Anwendung" zur Kenntnis genommen. Diese Tagung ist während der deutschen EU-Präsidentschaft im Mai 1999 im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und der Europäischen Kommission durchgeführt worden. Professor Schramm, dem Tagungspräsidenten, möchte ich meinen besonderen Dank ausdrücken. Es ist gelungen, in Europa die Diskussion zu diesem schwierigen Thema anzustoßen. Ich wünsche mir, dass die Diskussion weitergeht und wir zu einer Angleichung der Standards in Europa kommen.

Motivationskampagne zur Blut- und Plasmaspende

Meine Damen und Herren,

wer genügend Blut und Plasma zur Herstellung von Blutprodukten verfügbar haben will, benötigt dazu die entsprechende Anzahl freiwilliger und gesunder Spender. Deshalb hat das Bundesministerium für Gesundheit die Initiative ergriffen und eine Kampagne gestartet, mit der Menschen in unserer Bevölkerung zur Blut und Plasmaspende motiviert werden sollen. Das ist auch ein Beitrag zur Unterstützung unserer Spendeeinrichtungen, denn vor allem in der Urlaubszeit im Sommer wird immer wieder deutlich, dass größere Mengen an Spenderblut notwendig sind.

Wenn Sie sich das Logo des Weltgesundheitstages 2000 ansehen, werden Sie feststellen, dass es sich mit dem Logo der Motivationskampagne deckt. Achten Sie bitte auch in Zukunft auf dieses Logo. Dahinter verbergen sich interessante und höchst informative Materialien zur Blut- und Plasmaspende, die die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zusammen mit den Kooperationspartnern entwickelt hat.

Ich empfehle Ihnen sehr, den Stand der Bundeszentrale zu besuchen. Sie werden dort eine sehr attraktive Internet-Demonstration vorgeführt bekommen. Ich bin überzeugt davon, dass dies der richtige Weg ist, um auch in Zukunft sehr viele und vor allem junge Menschen zu erreichen.

Dieser Weltgesundheitstag soll Ansporn für alle sein darüber nachzudenken, dass sie mit ihrem Blut oder Plasma anderen Menschen helfen, ja sogar das Leben retten können. Ich würde mich freuen, wenn sich viele Menschen von dieser Idee oder von dieser Botschaft anstecken lassen. Zum Schluss möchte ich allen meine Anerkennung für die hervorragende Organisation dieses Weltgesundheitstages ausdrücken. Ich bin beeindruckt von der Info-Börse, die hier organisiert worden ist. Ich danke allen Organisationen, die sich daran beteiligen und damit zum Gelingen dieses Tages beitragen. Vor allem aber danke ich Ihnen, Herr Dr. Voigt, und der Bundesvereinigung für Gesundheit, die die Organisation des Weltgesundheitstages im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit übernommen hat. Ich sehe, dass alles prima klappt und dass dieser Tag zu einem Ereignis wird.

Abschluss

Ich wünsche mir, dass dieser Weltgesundheitstag ein wichtiges Signal nach draußen gibt und viele Menschen mit seinen beiden Botschaften erreicht:

Erstens: Wir haben ein hochwertiges Transfusionswesen und Blutprodukte, die höchsten Sicherheitsstandards genügen. Alle diejenigen, die auf Transfusionen oder auf Blutprodukte angewiesen sind, können sich auf diese Sicherheit verlassen.

Zweitens: Damit wir auch in Zukunft allen helfen können, die auf fremdes Blut angewiesen sind, brauchen wir Menschen, die ihr Blut als Spenderinnen und Spender zur Verfügung stellen. Jeder und jede kann sich zur Blut und Plasmaspende zur Verfügung stellen und sollte dies auch tun, denn ebenso schnell können wir alle schon morgen auf die Spende eines anderen angewiesen sein.

Ich hoffe sehr, dass diese Botschaften gut rüberkommen, bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche den nachfolgenden Veranstaltungen einen erfolgreichen Verlauf.