am 29./30. November 2001 in Saarbrücken
Einführung:
Die Sportministerkonferenz beschäftigt sich seit Jahren mit den Komplexen "Sport und Gesundheit" sowie "Gesundheitsreform 2000". Die Sportministerkonferenz hat am 19./20. Oktober 2000 beschlossen, das Thema "Sport und Gesundheit" zu vertiefen und die Sportreferentenkonferenz (SRK) beauftragt, konkrete Strategien und Beschlüsse vorzuschlagen. Vor diesem Hintergrund hat die SRK die bisherigen zwei Themenschwerpunkte zu einem Komplex "Sport und Gesundheit" zusammengefasst, der insbesondere Kooperationsstrategien auf Bundes- und Landesebene formulieren soll.
Die positiven Wirkungen regelmäßigen und lebenslangen Sporttreibens bzw. angemessen dosierter körperlicher Aktivität sind wissenschaftlich unumstritten. Eine gesundheitswirksam ausgerichtete sportliche Aktivität hat positive Auswirkungen auf das allgemeine Befinden; sie reduziert das Risiko von Herz-Kreislauf-Krankheiten, von gesundheitlichen Beschwerden insbesondere im Bewegungsapparat - und führt zu einer Verringerung von Krankheitstagen.
Gesundheitsfördernde Politik muss die individuelle Verantwortung und die Bedeutung individueller wie sozialer Ressourcen ebenso im Blick haben wie die Weiterentwicklung gesundheitsfördernder Rahmenbedingungen. Sie verlangt ein koordiniertes Zusammenwirken aller Verantwortlichen in den politischen Administrationen, im Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftssektor wie in Bildung und Freizeit, in nichtstaatlichen und selbstorganisierten Verbänden und Initiativen sowie in den Medien.
Der strategische Ansatz für die Weiterentwicklung des Gesundheitssports liegt in der konsequenten Verbindung des Vereinssports mit dem Gesundheitssystem.
In diesem Kooperationsgeflecht haben die auf freiwilliger Basis und mit ehrenamtlichen Kräften organisierten Vereine eine besondere Bedeutung. Seit einem Jahrzehnt haben sie ein umfassendes Netzwerk spezieller präventiver und gesundheitsfördernder Angebote aufgebaut. Nahezu flächendeckend sind Tausende Vereine in der Lage, spezifische und qualitätsgesicherte Gesundheitssportangebote zu unterbreiten. Unter den Gesichtspunkten Qualität, flächendeckende Verbreitung, Wirtschaftlichkeit und Teilnehmerbindung ist dies eine konkurrenzlose Angebotsstruktur.
Die Sportorganisationen haben auch im vergangenen Jahr ihr Angebotskonzept auf der Basis des Qualitätssiegels "Sport pro Gesundheit", das von der Bundesärztekammer anerkannt wird, ausgebaut. Mit einer Angleichung in der Ausbildungsstruktur und -anforderung, dem Ausbau von Informationssystemen, der Durchführung von Modellprojekten beispielsweise zu Qualitätszirkeln oder differenzierten Übungsleiterbefragungen ist die Strukturqualität des Gesundheitssports weiter entwickelt worden.
In der Gesundheitspolitik beginnt Prävention wieder einen höheren Stellenwert zu erhalten. Die jüngste Stellungnahme des Sachverständigenrats zur Reform des Gesundheitswesens beinhaltet ein nachdrückliches Plädoyer für eine frühzeitige Gesundheitsförderung und begründet das u.a. gesundheitsökonomisch mit erheblichen Einsparpotentialen. Das Bundesgesundheitsministerium hat in einem runden Tisch zur Gesundheitspolitik auch einen Arbeitskreis zur Prävention eingerichtet. Die Einrichtung einer bundesweiten Stiftung zur Gesundheitsförderung ist im Gespräch. Der § 20 des Sozialgesetzbuches V gibt den Krankenkassen das Recht, qualifizierte Präventionsmaßnahmen von geeigneten Anbietern zu fördern.
Die Verknüpfungspunkte des gesundheitsorientierten Vereinssports mit der Präventionspolitik in Bund und Ländern sind gewachsen. Im Leitfaden für die Ausführung des § 20 ist neben individuellen Trainingsprogrammen der Setting-Ansatz (Schaffung gesundheitsorientierter Lebenswelten) ausdrücklich als Fördermöglichkeit benannt; der Verein als "gesunder Lebensort" kann in Setting-orientierte Maßnahmen eingebunden werden. Weiterhin ermöglicht der Leitfaden den Kassen nunmehr - nicht zuletzt aufgrund verschiedener Interventionen der SMK - die Förderung von Angeboten durch entsprechend qualifizierte ehren- und nebenamtliche Übungsleiter im Vereinssport. In der Arbeitsgruppe "Prävention" des Gesundheitsministeriums ist der Vereinssport vertreten.
Gleichwohl gibt es noch keine systematisch verzahnte, durchstrukturierte und verbindliche Kooperation zwischen dem Sport und dem Gesundheitssystem. Viele Krankenkassen nutzen noch zögerlich die Möglichkeiten des § 20 zur Kooperation mit Sportvereinen. In wichtigen Diskussionen auf Länderebene zu Gesundheitszielen, der Gesundheitsberichterstattung oder der Wirtschaftlichkeit von Präventionsmaßnahmen ist der Sport nicht oder nur zufällig eingebunden. In einigen Landeskonferenzen zur Gesundheitsförderung ist der Sport nicht oder nur punktuell vertreten. Die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und örtlichen Vereinen weist noch Gestaltungspotentiale auf. Versorgungsketten zwischen Akutbehandlung, Therapie, Rehabilitation und Gesundheitssport im Verein könnten ausgebaut werden. Die Möglichkeiten des Vereinssports zu Gesundheitsinformationen werden noch nicht hinreichend genutzt.
Umgekehrt bestehen noch offene Fragen über Verbesserungsmöglichkeiten im Gesundheitssport. Dazu gehören insbesondere Vergleichs- und Anpassungsprozesse der Aus- und Fortbildungssysteme im Vereinssport wie auch mit solchen aus dem kommerziellen und schulischen Bereich. Ferner gibt es einen qualitativ neuen Bedarf an spezifischen Sportstätten für den Gesundheitssport, der besondere Raumgrößen, Ausstattung, Raumklima und Ambiente berücksichtigt.
Eine engere Verzahnung beider Bereiche - u.a. durch Schaffung gemeinsamer Gremien und Initiativen - kann aktivierende, zum Sport motivierende Lebenswelten schaffen.
1. Die Sportministerkonferenz sieht in der Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit und des Sachverständigenrats für die Reform des Gesundheitswesens wichtige Anstöße, der Prävention breiter Bevölkerungskreise größeres Gewicht zu geben. Sie wird die Initiative nach Kräften unterstützen. Sie verweist auf die besondere Bedeutung des Vereinssports und regt an, ihn entsprechend seiner Bedeutung zu berücksichtigen und sein Potential für die Gesundheitsförderung zu nutzen. Lebenslanges Sporttreiben als wichtige Voraussetzung für lebenslange Gesundheit prägt immer stärker das Bewusstsein der verschiedenen Generationen, aber auch die Arbeit in den Schulen, den Jugendeinrichtungen und den Vereinen.
2. Die Sportministerkonferenz begrüßt, dass im Leitfaden zur Ausgestaltung des § 20 SGB V die qualifizierten Übungsleiter aus dem Gesundheitssport der Vereine als förderungswürdig anerkannt worden sind. Sie bittet die Kassen eindringlich, die Kooperationsbereitschaft der Vereine in diesem Feld zu nutzen und dadurch rasch zu einem flächendeckenden und kostengünstigen Angebotssystem des Gesundheitssports beizutragen. Dabei sollte auch der Beitrag der Vereine für eine Setting-orientierte Gesundheitsförderung angenommen werden.
3. Die Sportministerkonferenz hält es für erforderlich, die Kooperationsbeziehungen zwischen dem Gesundheitssystem und dem Sportsystem in möglichst vielen Bereichen zu fördern. Für eine konsequente und flächendeckende Entwicklung ist ein systematischer Ausbau auf Länderebene besonders wichtig. Die Sportministerkonferenz strebt deshalb einen regelmäßigen Austausch mit der Gesundheitsministerkonferenz zu Fragen des Gesundheitssports an. Sie bittet die Vorsitzende, einen entsprechenden Kontakt mit der Gesundheitsministerkonferenz aufzunehmen mit dem Ziel, die Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe einzuleiten. In eine solche Arbeitsgruppe sollte aus Sicht der Sportministerkonferenz auch der Deutsche Sportbund (DSB) und der Deutsche Städtetag einbezogen werden. Die Arbeitsgruppe begleitet die Entwicklungen in den Ländern und regt Kooperationsprozesse an bzw. formuliert gemeinsame Arbeitsschwerpunkte. Eine gemeinsame Tagung zu Perspektiven von Gesundheitssport und Gesundheitsförderung sollte angestrebt werden.
4. Der besondere Bedarf an gesundheitssportgerechten Sportstätten muss künftig im kommunalen Sportstättenbau stärker berücksichtigt werden. Die Sportministerkonferenz beauftragt die "Arbeitsgemeinschaft Sportstätten", diesen Schwerpunkt besonders zu berücksichtigen und Vorschläge für entsprechende Raumprogramme zu erarbeiten. Dabei sollten auch Möglichkeiten entwickelt werden, durch Funktionsumwandlung von Räumen kostengünstige Möglichkeiten für den Gesundheitssport zu schaffen.
5. Die Sportministerkonferenz beauftragt die Sportreferentenkonferenz, gemeinsam mit dem DSB die Ausbildungsstrukturen und Ausbildungskonzepte im Gesundheitssport zu sichten und so aufeinander abzustimmen, dass Anerkennungen und Übergänge zwischen den unterschiedlichen Trägern von Gesundheitssportmaßnahmen erleichtert werden. Dabei sollten auch Entwicklungen im schulischen Bereich (u.a. Fachschulen) und in der Sportlehrerausbildung Berücksichtigung finden.