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World Health Day 2002

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Startseite : 2002 Bewegung : zentrale Veranstaltung : Fachbeiträge : Gesund leben – in Bewegung bleiben

 "Gesund leben - in Bewegung bleiben"

Dr. Christoph Breuer, Sporthochschule Köln

"Die heutige Generation ist die erste Generation in der Menschheitsgeschichte, die das biologische Mindestmaß an körperlicher Bewegung nicht erfüllt" (Hollmann 1991)

Der Weltgesundheitstag 2002 steht unter dem Motto "Gesund leben - in Bewegung bleiben". Damit trägt der Weltgesundheitstag 2002 der Tatsache Rechnung, dass regelmäßige moderate sportliche Aktivität einer der wirksamsten Schutzfaktoren vor einer Vielzahl an chronisch-degenerativen Krankheiten ist und maßgeblich zu einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen kann. Zudem ist sportliche Aktivität die beliebteste Form von Gesundheitsförderung in der Bevölkerung überhaupt. Und Public-Health-Strategien, die auf Freiwilligkeit beruhen, benötigen sozial akzeptierte und beliebte Formen der Gesundheitsförderung, wollen sie eine breite Wirkung erzielen. Gesundheitsökonomisch ist weiterhin bedeutsam, dass sportliche Aktivität daneben eine auch der kostengünstigsten Formen von Gesundheitsförderung darstellt. Dies gilt auch deshalb, da die Gesundheitsförderung durch Sport bereits auf eine gut ausgebaute Infrastruktur zurückgreifen kann.


Gesundheitswirkungen - physische und psychische Gesundheitspotenziale

Gut belegt ist mittlerweile, dass Sport- und Bewegungsaktivitäten einen günstigen Einfluss auf die Reduktion verlorener Lebensjahre haben (z.B. Blair 1996). Der Gesundheitseffekt körperlicher Aktivität ist dabei deutlich höher als der einer Reduktion des Body-Mass-Indexes, des systolischen Blutdrucks oder des Cholesterinniveaus (Blair 1996). Demnach ist die körperliche Fitness im Hinblick auf die vorzeitige Sterblichkeit eine wichtigere Einflussgröße als beispielsweise Übergewicht oder die Höhe des systolischen Blutdrucks. Die hohe Gesundheitsrelevanz von Bewegung unterstreicht auch die wegweisende Studie von Paffenbarger et al. (1993): Demnach haben körperlich Aktive einen Überlebensvorteil gegenüber körperlich Inaktiven, der dem eines Nichtrauchers gegenüber einem Raucher von täglich 20 Zigaretten entspricht.

Auch der Zusammenhang zwischen Bewegung und Herz-Kreislauferkrankungen ist mittlerweile recht gut abgesichert. So führt kontinuierliche körperliche Aktivität zu einem Schutzeffekt gegenüber Herz-Kreislauf-Krankheiten, die nach wie vor die Haupttodesursache in den fortgeschrittenen Industriegesellschaften darstellen. Insbesondere vermag angemessene Bewegungsaktivität die Eintrittswahrscheinlichkeit der koronaren Herzerkrankung günstig zu beeinflussen. In bezug auf die koronare Herzkrankheit zeigt sich die Schutzwirkung körperlicher Aktivität als weitgehend unabhängig gegenüber anderen Faktoren: Körperlich Aktive erleiden nicht nur deshalb weniger Herzinfarkte, weil sie weniger rauchen, sondern insbesondere weil sie sich mehr bewegen. 54 Studien mit hinreichender statistischer Qualität unterstreichen diese Ergebnisse. Die gesundheitliche Effektstärke körperlicher Bewegung ist dabei ähnlich groß wie der Gesundheitseffekt durch Nichtrauchen (U.S. Department of Health and Human Services 1996). Auch im Hinblick auf Schlaganfall liegen eher schützende Wirkungen sportlicher Aktivität vor. Zurückzuführen ist der positive Einfluss körperlicher bzw. sportlicher Aktivität auf eine mit der verstärkten Bewegung korrespondierenden verbesserten Funktionsökonomie des Herz-Kreislaufsystems, die gegen Arteriosklerose vorbeugen kann. So beugt regelmäßige körperliche Aktivität der Entstehung von Bluthochdruck vor. Zudem vermag insbesondere moderater Ausdauersport den Fettstoffwechsel anzuregen und auf diese Weise Übergewicht günstig zu beeinflussen. Die positiven Effekte moderaten Ausdauertrainings stellen sich dabei weitgehend unabhängig von Alter, Geschlecht oder sozialem Status der Person ein (vgl. Hollmann et al. 1983; Francis 1996). Wichtig ist, dass keine sportlichen Höchstleistungen erforderlich sind, um Herz-Kreislauferkrankungen vorzubeugen. Schon der regelmäßige Spaziergang besitzt eine wirksame Präventionsfunktion.

Darüber hinaus belegen neuere Untersuchungen einen positiven Einfluss von abgestimmten Sport- und Bewegungsprogrammen in der Sekundär- und Tertiärprävention von Herz-Kreislauferkrankungen. So zeigen Kontrollgruppenstudien mit Infarktpatienten, dass die kardiovaskuläre Sterblichkeitswahrscheinlichkeit, das Sterblichkeitsrisiko aufgrund eines Reinfarkts und auch die Sterblichkeitswahrscheinlichkeit im ersten Jahr nach dem Infarkt hinsichtlich plötzlichen Todes mit Hilfe von Bewegungsmaßnahmen signifikant gesenkt werden kann (Hollmann 1997). O_Connor et al. (1989) erzielten mittels einer bewegungsbezogenen Tertiärprävention gar eine Verringerung des Risikos vorzeitiger Sterblichkeit von Postinfarktpatienten um 20 %.

Regelmäßige sportliche Betätigung kann daneben auch das Risiko bestimmter Krebserkrankungen um bis zu 70 % senken. Hier ist eine entsprechende Vorbeugung allerdings nur mit relativ hoher Aktivität über einen langen Zeitraum hinweg zu erreichen. Relativ sichere Beweise für reduzierte Erkrankungsraten sportlich Aktiver liegen in bezug auf Dickdarmkrebs vor. Einige Studien weisen zudem auf einen günstigen Einfluss von Sport und Bewegung auf das Erkrankungsrisiko an Brust-, Prostata- und Lungenkrebs hin (U.S. Department of Health and Human Services 1996). Sehr aktive Männer, die mehr als 2.500 Kilokalorien pro Woche durch Sport zusätzlich verbrauchen, haben ein um 40 % geringeres Darmkrebsrisiko. Frauen reduzieren die Gefahr von Darmkrebs mit vier Stunden Sport pro Woche um rund 50 %. Das Risiko eines Bronchialkarzinoms lässt sich mit viel Bewegung um 20 bis 60 % senken. In der Pubertät sinkt medizinischen Studien zufolge das Brustkrebsrisiko um 30 %, wenn dreimal pro Woche mindestens jeweils eine Stunde Sport getrieben wird. Bei Prostata- und Hodenkrebs liegt der positive Effekt zwischen 10 und 70 %.

Darüber hinaus belegen neuere Untersuchungen einen positiven Einfluss von abgestimmten Sport- und Bewegungsprogrammen in der Sekundär- und Tertiärprävention von Krebs. Bei an Brustkrebs erkrankten Frauen zeigt ein moderates Ausdauertraining positive Effekte auf das Immunsystem sowie auf psychologische Faktoren. Auch bei anderen Tumorerkrankungen wie Dickdarmkrebs oder Lungentumoren kann die Tumorabwehr mittels Sport und Bewegung gestärkt werden.

Auch im Hinblick auf Rückenbeschwerden sowie degenerative Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates (z.B. Osteoporose) spielt sportliche Aktivität eine wichtige Rolle. So verlieren körperlich Inaktive mit zunehmendem Alter vermehrt Knochenmasse (Wardlaw 1993), was bei Stürzen zu einer erhöhten Gefahr von Knochenbrüchen führt. Dagegen kann durch Kraft- und Beweglichkeitstraining dem Abbau von Knochenmasse vorgebeugt werden. Kraft- und Beweglichkeitsaspekte sollten daher schon während der Kindheit in angemessenem Maße gefördert werden. Körperliche Aktivität erhöht den Mineralgehalt der Knochen und senkt so das Risiko von Osteoporose sowie das damit einher gehende Frakturrisiko. Zudem weisen körperlich Aktive aufgrund ihrer erhöhten Koordinationsfähigkeit und Fitness - auch im Alter - seltener Unfälle durch Stürze auf. Sportliches Training kann ebenso dazu beitragen, die Funktionen des aktiven und passiven Bewegungs- und Stützapparates zu erhalten bzw. zu verbessern, was unter anderem Wirbelsäulenerkrankungen vorbeugt und damit die Bewältigung der Alltagsanforderungen erleichtern kann. So zeigen Trainingsstudien, dass je nach Trainingsgestaltung ein Kraftgewinn von neun bis zu 227 % möglich ist (Ehrsam/Zahner 1996). Deutliche Zugewinne in der Leistungsfähigkeit des aktiven und passiven Bewegungsapparates lassen sich auch noch im hohen Alter erzielen (Schmidtbleicher 1994). Verschiedene Studien zeigen darüber hinaus, dass moderater Sport Schutzeffekte gegenüber Arthritis hervorrufen und selbst bei Personen, die bereits an Arthritis leiden, positive Wirkungen entfalten kann

Neuere Untersuchungen belegen zudem einen positiven Einfluss von abgestimmten Sport- und Bewegungsprogrammen in der Sekundär- und Tertiärprävention von AIDS. Auch bei Personen, die mit dem HIV-Virus infiziert oder an AIDS erkrankt sind, kann sportliche Betätigung positive psychoneuroimmunologische Veränderungen hervorrufen. So geht bei HIV-Infizierten und AIDS-Kranken körperliche Aktivität mit einer Verbesserung der physiologischen Leistungsfähigkeit, immunologischer Funktionsgrößen sowie einer Reduzierung von Ängsten und Depressionen einher, was zu einer psychischen Stabilisierung und somit zu einer Verbesserung der Lebensqualität führt.

Daneben liegen statistisch abgesicherte Hinweise vor, dass sportliche Aktivität bei einer Vielzahl weiterer Gesundheitsprobleme und Krankheiten die Belastbarkeit und insgesamt auch die Lebensqualität erhöhen kann, so z.B. bei Asthma, Migräne, Neurodermitis und Mukoviszidose (u.a. Hollmann 1985a; Eichinger/Zimmermann 1991). Auch das Entstehungsrisiko des nicht-insulin-abhängigen Diabetes Mellitus kann mittels regelmäßiger körperlicher Aktivität reduziert werden (Blair 1996). Wichtig hierbei ist jedoch, dass die sportliche Aktivität moderat betrieben wird.

Im Alter ist Bewegung die einzig wissenschaftlich abgesicherte Methode, den funktionellen Abbau insbesondere der Organe und des Halte- und Bewegungsapparates sowie der psycho-physischen Leistungsfähigkeit aufzuhalten. Selbst bei Hochbetagten, die noch nie oder lange Zeit keinen Sport getrieben haben, zeigen sich deutliche Gesundheitsgewinne sportlicher Aktivität (z.B. Meusel 1996). So lassen sich bei Personen, die mit 60 oder 70 Jahren mit regelmäßigem Ausdauertraining beginnen, schon nach kurzer Zeit deutliche Verbesserungen im Zustand ihres Herz-Kreislauf-Systems erzielen (Baumann 1992). Gleiches gilt in bezug auf die Leistungsfähigkeit des aktiven und passiven Bewegungs- und Stützapparates. Aber auch die Funktion des Reaktions- und Kurzzeitgedächtnises lässt sich bei alten Menschen mittels Bewegung signifikant verbessern, und das schon durch einfache Bewegungsformen wie dem Wandern (Hollmann 1998). Untersuchungen aus Japan belegen zudem, dass bei körperlich aktiven älteren Menschen nicht nur die Todesrate günstiger ausfällt, sondern auch die Abnahme der Alltagsaktivität des täglichen Lebens (Interesse für die persönliche Umwelt, Hobbys etc.) geringer ist als bei inaktiven älteren Manschen (Iwane 1996). Körperliche Aktivität im Alter scheint somit die Lebensqualität deutlich zu erhöhen.

Neue Erkenntnisse aus der Hirnforschung belegen darüber hinaus schon im Neugeborenen- und Säuglingsalter eine hohe Bedeutung motorischer Aktivität. So korreliert die Bildung von Hirnzellen mit motorischer Aktivität. Demnach müssen klassische Auffassungen revidiert werden, die eine Nicht-Beeinflussbarkeit der regionalen Gehirndurchblutung durch muskuläre Arbeit und Unveränderlichkeit des Gehirnstoffwechsels postulierten (Hollmann 1998).

Dagegen stellt Bewegungsmangel einen zentralen Risikofaktor für Koordinationsstörungen dar, die bereits im Kindesalter immer häufiger auftreten. So berichtet Dordel (1998) zusammenfassend von erheblichen Einbußen bei Kindern im Bereich der koordinativen Leistungsfähigkeit, aber auch im Bereich anderer motorischer Dimensionen (Ausdauerfähigkeit, Kraftfähigkeit) im Vergleich zu früheren Untersuchungen. Offensichtlich geht mit dem sozialen Wandel eine Abnahme der durchschnittlichen motorischen Leistungsfähigkeit einher. Diese motorische Leistungsschwäche korrespondiert wiederum häufig mit Misserfolgserlebnissen wie einer Stigmatisierung als "Versager" und erhöht so die Wahrscheinlichkeit von Störungen des Kommunikations-, Lern- und Leistungsverhaltens sowie anderen Verhaltensauffälligkeiten. Mittels einer gezielten Bewegungsförderung lassen sich jedoch konkrete Entwicklungsdefizite zu einem großen Teil wieder aufholen (Breuer et al. 1998).

Im Hinblick auf die psychischen Effekte sportlicher Aktivität ist zunächst auf einen generellen Zusammenhang zwischen sportlicher Aktivität und Lebenszufriedenheit sowie Wohlbefinden hinzuweisen: Sportlich Aktive sind zufriedener mit ihrem Leben (Thomae 1983; Lehr 1991). Untersuchungen zur Frage kurzfristiger Stimmungsänderungen zeigen bei fitnessorientiertem Sport einen überdurchschnittlich positiven Gesundheitseffekt (z.B. Bässler 1995; U.S. Department of Health and Human Services 1996). So liegen verschiedene Anzeichen dafür vor, dass insbesondere ausdauerorientiertes Bewegungstraining den Umgang mit Disstress günstig beeinflussen und unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine Form von Stressresistenz erzeugen kann (Glaser/Kiecolt-Glaser 1994; Uhlenbruck 1993a, 1993b, 1995). Jedoch zeigt das Ausüben normierter Sportarten keinen derartigen Effekt. Dies gilt insbesondere für das Ausüben normierter Sportarten im Wettkampfkontext.
Weiterhin offenbaren epidemiologische Studien ein signifikant höheres Selbstbewusstsein von sportaktiven Personen im Vergleich zu inaktiven (Hüttner et al. 1997). Auch kann sportliche Aktivität wirksame Beiträge zur Minderung von Ängsten und Depressionen leisten (Folkins/Sime 1981; Schwenkmezger 1985; U.S. Department of Health and Human Services 1996; Weyerer/Kupfer 1996). Eine optimale Verbesserung des habituellen psychischen Wohlbefindens kann dabei am besten mittels einer Kombination von Ausdauer- und Entspannungstraining erzielt werden.


Das soziale Gesundheitspotenzial von Sport und Bewegung

Neben diesen physischen und psychischen Gesundheitspotenzialen besitzt sportliche Aktivität auch ein nicht zu vernachlässigendes soziales Gesundheitspotenzial. Dies gilt zunächst einmal für den Aufbau sozialer Unterstützung. So vollzieht sich sportliche Aktivität fast immer in einem sozialen Kontext. Für Fragen der Gesundheit und Gesundheitsförderung ist dies relevant, weil der Sport mit seinen Interaktionsformen zahlreiche Möglichkeiten bietet, inmitten einer von Kontaktarmut geprägten Welt soziale Kontakte zu entwickeln und der sozialen Isolierung entgegenzuwirken. Sport bietet dadurch günstige Potenziale sozialer Unterstützung, die im Sinne des Salutogenese-Konzepts (Antonovsky 1979, 1987, 1993) als generalisierte Widerstandsquelle zu einer günstigen Bewältigung verschiedener Anforderungssituationen beitragen bewirken kann. In der Tat zeigen verschiedene Untersuchungen, dass sportliche Aktive einen größeren Freundeskreis besitzen als Inaktive.

Daneben besteht ein enormes soziales Gesundheitspotenzial in der sozialen Akzeptanz und Beliebtheit von Sport und Bewegung. Sport und Bewegung sind in der Wahrnehmung der Bevölkerung von zentraler Bedeutung im Gesundheitszusammenhang, sind als Begriff positiv besetzt und stellen ein allgemein akzeptiertes Medium der individuellen Gesundheitssicherung dar. Fünf Befunde dokumentieren dies: (1) Ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands treibt jede Woche Sport. Besonders hohe Zuwächse in der sportlichen Aktivität im Vergleich zu früher sind bei den Senioren zu verzeichnen (Breuer 2002). (2) Gesundheit stellt mittlerweile das wichtigste Sportmotiv dar (Breuer 1999). Dies unterstreicht den hohen Gesundheitsbezug modernen Sportengagements. (3) Sportinaktive würden vor allem aus Gesundheitsmotiven (wieder) anfangen Sport zu treiben (Breuer 1999). (4) Wie sehr der Sport zu einer Art individueller Gesundheitstechnik geworden ist, zeigt sich insbesondere daran, dass Sport und Bewegung die weitaus verbreitetste Komponente des Gesundheitsverhaltens darstellen. Andere Medien und Verhaltensweisen, die im Rahmen von Public-Health-Strategien bislang wesentlich stärker aufgegriffen wurden, wie gesunde Ernährung oder die Reduktion des Genuss-/Suchtmittelkonsums finden offenbar eine deutlich geringere Akzeptanz in der Bevölkerung (Breuer 1999). (5) Bei der Frage nach Verbesserungsvorschlägen für das eigene Gesundheitsverhalten stehen verstärkte Sport- und Bewegungsaktivitäten klar an erster Stelle, gefolgt von gesünderer Ernährung/Gewichtsreduktion und weniger/nicht mehr rauchen (Breuer 1999).

Da die Effektivität von Public-Health-Strategien eng mit der gesellschaftlichen Attraktivität und Akzeptanz der konkreten Interventionsstrategien einhergeht, eignen sich Sport und Bewegung somit in besonderem Maße für Public-Health-Strategien.

Das infrastrukturelle Potenzial von Sport und Bewegung

Zudem haben die Sportvereine und -verbände eine beachtliche Infrastruktur des Gesundheitssports aufgebaut. Sport ist längst nicht mehr nur der klassische Sport. Die verstärkte Gesundheitsnachfrage im Sport hat zu zahlreichen Veränderungen im Sportsystem geführt. Der Gesundheitssport stellt seit mehr als zehn Jahren ein dynamisches Wachstumsfeld in deutschen Turn- und Sportvereinen dar.

Die Sportverbände und -vereine haben mit einem bemerkenswertem Angebot auf die verstärkte Nachfrage nach bewegungsbezogenen Gesundheitsdienstleistungen reagiert. Leistungsfähige Vereine unter den bundesweit gut 87.000 Turn- und Sportvereinen bieten mittlerweile eine breite Palette entsprechender Angebote an. Zu nennen sind im Bereich der Gesundheitsförderung und Primärprävention insbesondere Entspannungstechniken und andere Formen der Stressbewältigung, Herz-Kreislauftraining und Wirbelsäulengymnastik. Alle Angebote werden auch zielgruppenspezifisch offeriert. Ein Überblick über die Vielfalt der Gesundheitsangebote des organisierten Sports ist Tabelle 1 zu entnehmen. Auf eine komplette Auflistung muss hier allerdings verzichtet werden, da auch traditionelle Sportformen (z.B. Leichtathletik, Schwimmen, Fußball, Basketball) wichtige Gesundheitseffekte bewirken können. Im Bereich der Gesundheitsförderung und Primärprävention werden daher nur solche Angebote erwähnt, die ausdrücklich aufgrund ihrer Gesundheitsleistungen eingerichtet worden sind. Ebenfalls Tabelle 1 zu entnehmen ist das Angebot des organisierten Sports im Bereich der Sekundär- und Tertiärprävention, das entsprechend dem Krankheitspanorama in erstaunlichem Maße ausdifferenziert ist.


Gesundheitsangebote der Sportverbände und -vereine

Gesundheitsförderung und Primärprävention
Entspannungstechniken
- z.B. Autogenes Training, Atemtherapien
Wirbelsäulengymnastik/Funktionsgymnastik (in den verschiedensten Formen)
Herz-Kreislauftraining
- z.B. Lauftreff, Wandern, Walking, Ski- und Fitnessgymnastik, Aerobic, Cardio-Fitness, Aqua-Jogging, Aqua-Fitness, Radwanderfahrten
Sporteinstiegsangebote
- z.B. Gymnastik für Untrainierte, Rundum-Fit
Sport für ältere Menschen
- Wassergymnastik, Schwimmen, Rückengymnastik, Herz-Kreislauftraining, Entspannung, Mobilitätstraining, Sitztanz, Kombiangebote wie "Fit ab 50", "Gesund altern"
Sport in der Schwangerschaft
Suchtprävention
- Maßnahmen der Erlebnispädagogik

Sekundar- und Tertiärprävention
Stütz- und Bewegungsapparat
- Osteoporose-Gruppen
- Hüftpatienten-Gruppen
- Sport bei Wirbelsäulenproblemen
- Sport mit Amputierten
- Rheuma-Gruppen
- Rückenschule
Innere Organe
- Herzsport (auch Kinder- und Frauengruppen, Übungs- und Trainingsgruppen)
- Sport bei Hypertonie
- Sport bei Hypotonie
- Sport in der Krebsnachsorge (u.a. brustoperierte Frauen, Darmkrebs, Kehlkopfkrebs)
- Sport mit pAVK-Patienten
- Sport mit Diabetes-Patienten
- Sport bei Atemwegserkrankungen/Allergien
- Sport mit Dialysepatienten und Nierenerkrankten
Zentrales/peripheres Nervensystem
- Sport mit Schlaganfall-Betroffenen
- Sport mit Multiples-Sklerose-Betroffenen
- Sport mit Parkinson-Betroffenen
- Sport bei Epilepsie
- Sport bei Cerebralparese
Geistige Behinderungen/psychiatrische Erkrankungen
- MCD-Sport
- Sport mit Geistig-Behinderten
- Sport mit psychisch Kranken
- Sport mit Sucherkrankten (Alkoholiker, sonstige Drogenabhängige)
Sinnesbehinderungen
- Blindensport
- Sport mit Hörgeschädigten/bei Gleichgewichtsstörungen
Sonstiges
- Gymnastik für Übergewichtige
- Rückenschule
- Schwangerschaftsgymnastik
- Psychomotorik/kompensatorischer Sport
- Sport in der Raucherentwöhnung
- Rollstuhlsport
- Sport mit Schwerstbehinderten
- Versehrtensport

Die meisten Angebote berücksichtigen ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheitsförderung. So sind zum einen Entspannungselemente fester Bestandteil fast aller Gesundheitsangebote und zum anderen offeriert der organisierte Sport (insbesondere die Bildungswerke der Landessportbünde sowie von Vereinen oder Verbänden betriebene Gesundheitszentren) auch weitere Kombiangebote (z.B. Bewegung und Ernährung, Bewegung und Nicht-Raucher-Training, Bewegung und Stressbewältigung). Instruktiv sind in diesem Zusammenhang auch die Sport- und Gesundheitszentren in Nordrhein-Westfalen (Storck 1994a, 1994b).

Ein weiterer Trend, von dem auch Strategien der öffentlichen Gesundheitsförderung profitieren können, ist neben der Ausdifferenzierung spezifischer Gesundheitssportangebote die Einrichtung von vereinseigenen Fitnessstudios. So existiert mittlerweile eine Vielzahl erfolgreich arbeitender gesundheitsorientierter Fitnessstudios unter der Regie von Sportvereinen.

Darüber hinaus sollte beachtet werden, dass sich sowohl der Deutsche Sportbund als auch der Deutsche Turnerbund sowie die verschiedenen Landessportbünde mittlerweile der Frage der Qualitätsverbesserung seiner Gesundheitsangebote in systematischer Weise widmen. Mittlerweile existieren verschiedene Zertifizierungssysteme und Gütesiegel im Bereich des Gesundheitssports. Die bekanntesten Qualitätssiegel für besonders hochwertigen Gesundheitssport im Verein sind "Pluspunkt Gesundheit.DTB" und "Sport pro Gesundheit": Zertifizierte Angebote liegen hier in den Bereichen Gesundheitsförderung/Primärprävention (Angebote: Funktionsgymnastik, Wirbelsäulengymnastik, präventive Rückenschule, Aerobic als Gesundheitsspoprt, Herz-Kreislauf-Training, Gesundheit im Kinderturnen, Gesundheitssport für Ältere, Entspannung/Stressbewältigung), Sekundärprävention (Angebote: mollig+mobil; Osteoporosesport) und Tertiärprävention (Angebote: Ambulante Herzgruppen, Sport mit Diabetikern, Sport in der Krebsnachsorge) vor.

In verschiedenen Regionen liegen darüber hinaus auch noch andere Gütesiegel für präventive Gesundheitsangebote des organisierten Sports vor, so in Baden-Württemberg und Hessen die Lizenz "G.U.T. - Gesund und trainiert" oder in Bayern die Auszeichnung "Gesundheitsclub im Sportverein", eine Gemeinschaftsinitiative des Bayerischen Landessportverbandes, des Bayerischen Sportärzteverbandes und einer Ersatzkasse.
Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die Bemühungen des Deutschen Sportbundes im Rahmen seiner "richtig fit"-Kampagne. Diese Kampagne unterscheidet sich von seinen bisher initiierten Aktionen ("Trimm Dich" etc.) dadurch, dass es nicht mehr um die pure Steigerung der Aktivenzahlen geht, sondern die Qualität des Sporttreibens in den Mittelpunkt gerückt wird. "Richtig fit" steht dabei als Formel für die vier zentralen Kriterien gesundheitsorientierten Sporttreibens: Regelmäßigkeit, richtige Ausführung, maßvolle Intensität und spaßorientierte Ausübung. Umsetzungskriterien für die "richtig fit"-Angebote sind: Fitnessorientierung (keine oder keine hohen Wettkampfklassen), Zugangsoffenheit (z.B. auch für Ungeübte), Langfristigkeit (von Kursangeboten zu Dauerangeboten) und kompetente Betreuung (lizenzierte/r Übungsleiter/in bzw. Trainer/in).

Die enge Zusammenarbeit des organisierten Sports mit sportwissenschaftlichen Einrichtungen gewährleistet aber auch darüber hinaus eine kontinuierliche Verbesserung der Angebotsstruktur. Dieser Verzahnung von Forschung und Praxis ist es auch zuzuschreiben, dass innovative gesundheits- sowie krankheitsorientierte Bewegungsangebote in erster Linie von den Sportverbänden und ï·"vereinen offeriert werden. Andere Anbieter ziehen allerdings mittelfristig oftmals nach.

Damit hat der organisierte Sport seine Leistungen für die öffentliche Gesundheit deutlich ausgebaut: (1) In einigen Verbänden haben sich Abteilungen und Rollen ausdifferenziert, die sich ausschließlich mit Fragen der Gesundheitsförderung beschäftigen. (2) Von den Sportvereinen und ï·"verbänden werden zunehmend spezielle Gesundheitsprogramme angeboten. (3) Es gibt intensive Bemühungen um die Qualitätssicherung dieser Angebote. (4) Übungsleiter und Trainer im Gesundheitssport arbeiten zunehmend als Gesundheits- und Fitnessberater.

Neben den Sportvereinen stellen die 6.000 kommerziellen Fitnessstudios in Deutschland den zweitwichtigsten Anbieter im Gesundheitssport dar. So kann mittlerweile nicht mehr bezweifelt werden, dass die kommerziellen Fitnessstudios eine sinnvolle Ergänzung zu den Angeboten der Sportvereine darstellen. Allerdings liegen hier große Qualitätsunterschiede vor. Gütesiegel erleichtern auch hier die Orientierung. Aus Gesundheitssportsicht ist z.B. das RAL-Gütezeichen "Fitnesszentrum" zu empfehlen. Zentrale Zertifizierungskriterien sind: sportliche Leitung mit Hochschulabschluss, qualifiziertes Trainerpersonal, individuelle Trainingsplanung und -steuerung, Eingangstest nach sportmedizinisch abgesicherten Methoden und ein ganzheitliches Trainings- und Kursangebot.

Als weiterer Anbieter bewegungsbezogener Gesundheitsangebote neben den Sportverbänden und -vereinen sowie den kommerziellen Sportanbieter dürfen auch Angebote der Erwachsenenbildung nicht vernachlässigt werden. Ihr Angebotsspektrum ist je nach Region und Kommune allerdings recht unterschiedlich. Allgemein bietet jedoch eine Vielzahl von Institutionen der Erwachsenenbildung (Volkshochschulen, aber zum Teil auch kirchliche, politische oder gewerkschaftliche Einrichtungen) verschiedene Angebote im Bereich der Funktionsgymnastik (allgemeine Funktionsgymnastik, Wirbelsäulengymnastik, Rückenschule, Schwangerschaftsgymnastik etc.), der Herz-Kreislauf-Prävention (z.B. Fitnessgymnastik, Jazz-Tanz, Moderne Dance) sowie im Bereich der Stressreduktion (u.a. Autogenes Training, Yoga, Tai Chi Chuan, Feldenkrais-Methode, Autonie) an. Zwar spielten Bewegungsangebote im Bereich der Erwachsenenbildung lange Zeit eine eher untergeordnete Rolle, doch ist die Anzahl an entsprechenden Angeboten zügig angewachsen. Zurückzuführen ist dies zum einen auf die wachsende Anzahl der Gesundheitsangebote insgesamt sowie zum anderen auf den gestiegenen Stellenwert sportlicher Aktivität in den individuellen Lebensstilen.
Die Volkshochschulen, aber auch die anderen Institutionen der Erwachsenenbildung, bemühen sich im Rahmen ihrer Gesundheitssportangebote ebenso wie die anderen Anbieter von bewegungsorientierten Gesundheitsprogrammen (Sportverbände und -vereine, kommerzielle Sportanbieter) um eine intensive Qualitätssicherung. Über ein eigenes Ausbildungssystem verfügen sie im Gegensatz zum organisierten Sport und zu den kommerziellen Sportanbietern jedoch nicht.

Daneben nutzen auch weitere Institutionen die Gesundheitspotenziale von Sport und Bewegung. So stellen Bewegungsprogramme die häufigsten Angebote im Bereich der Betrieblichen Gesundheitsförderung dar. Dabei setzen die Unternehmen insbesondere auch auf die sozialen und kommunikativen Potenziale sportlicher Aktivität, um zugleich soziale Kontakte, Teamgeist und Identifikation mit dem Unternehmen zu fördern.

Auch in Kindergärten wird angesichts der motorischen Schwächen und deren Folgeproblemen vieler Kinder zunehmend Bewegungsförderung betrieben. Dagegen wird an weiterführenden Schulen in vielen Regionen Deutschlands die geforderte und vielfach vorgeschriebene dritte Sportstunde nicht umgesetzt.


Was kann ich selbst tun?

Grundsätzlich ist ein qualifiziert angeleitetes Sportprogramm dem informellen Sporttreiben vorzuziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Person wenig Sporterfahrungen hat bzw. lange keinen Sport mehr getrieben hat. Über qualifizierte Sportprogramme vor Ort geben die örtlichen Stadt- oder Gemeindesportbünde oder die Landessportbünde Auskunft. Im Internet lassen sich die "Pluspunkt-Gesundheits-Angebote auch online recherchieren: www.pluspunkt-gesundheit.de

Wer ohne organisatorischen Rahmen selbst aktiv werden will, der sollte auf grundsätzliche Regeln achten. Die Pulsbelastung beim Ausdauersport sollte nicht zu hoch sein. Optimal ist eine Belastung von 110 bis 140 Schlägen pro Minute. Ältere sollten sich eher an der unteren Grenze orientieren. Fürs Laufen/Joggen gibt es hier eine einfache Faustregel: Wer so läuft, dass er sich dabei noch unterhalten kann, läuft in der gesundheitsförderlich optimalen Intensität. Tipps zum gesundheitsförderlichen Sporttreiben sind darüber hinaus bei jeder Krankenkasse erhältlich. Daneben lohnt sich auch hier ein Blick ins Internet: Unter www.richtigfit.de, einer Seite des Deutschen Sportbundes, finden sich zahlreiche Tipps zum richtigen Radfahren, Schwimmen, Joggen, Inline-Skating sowie zur richtigen Gymnastik - richtig im Sinne der Erzielung optimaler Gesundheitseffekte.
Personen, die über 30 Jahre alt sind und lange Zeit sportlich inaktiv waren, sollten vor der Sportaufnahme aber zunächst zu ihrer eigenen Sicherheit einen ärztlichen Check durchführen lassen.


Ein wichtiger Hinweis am Ende:

Sportliche Aktivität ist nicht zwangsläufig an Sportarten gebunden. Sie können entsprechende Effekte auch anders erzielen: Benutzen Sie öfters die Treppe statt den Fahrstuhl, erledigen sie kurze und mittlere Wegstrecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad, lassen Sie öfters mal das Auto stehen. Auch dann tun Sie schon etwas für Ihre Gesundheit!