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World Health Day 2003

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zurückUlrich WahnAllergien - was kann man tun?

Prof. Ulrich Wahn, Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie Charité Berlin


Etwa jeder Vierte in Deutschland gehört zur Gruppe der Allergiker. Auch wenn der Begriff "Allergie" mitunter unscharf und nicht präzise verwendet wird, so kann man doch festhalten, dass die zunehmende Häufung allergischer Erkrankungen ein Ausmaß angenommen hat, das es rechtfertigt, von der "Epidemie des 21. Jahrhunderts" zu sprechen.

Kinderärzte in Deutschland haben in den letzten Jahren gelernt, dass allergische Erkrankungen zu den häufigsten Gesundheitsproblemen bei Säuglingen und Kindern gehören. Krankheitsmanifestationen wie das atopische Ekzem, die allergische Form des Asthma bronchiale oder der Heuschnupfen sind inzwischen zu klassischen Kinderkrankheiten geworden.

Unter dem allergischen Marsch versteht man ansonsten eine charakteristische Folge allergischer Manifestationen, die sich vom frühen Säuglingsalter erkennen lassen können. Diesen allergischen Marsch zu verstehen, seine Ursachen und Auslösefaktoren in ihrer Bedeutung einzuschätzen, ist von großer Wichtigkeit für etwaige Maßnahmen zur Prävention.
Seit 1990 wird ein Deutschland eine Kohorte von 1314 Kindern, die in den Städten München, Freiburg, Mainz, Düsseldorf und Berlin geboren wurden, sorgfältig verfolgt, wobei insbesondere dem Auftreten allergischer Erscheinungen große Beachtung geschenkt wird. Es hat sich herausgestellt, dass im Alter von 3 Monaten bereits 5 % der deutschen Säuglinge ein Ekzem entwickelt haben, bis zum 1. Geburtstag sind es etwa 10 %. Ein allergisches Asthma tritt bei Schulkinder in etwa 8 % auf, was bedeutet, dass es in jeder Schulklasse mindestens 2 an Asthma leidende Kinder gibt. Heuschnupfen, der im frühen Kleinkindalter fast nicht angetroffen werden kann, ist bei bis zu 25 % der jungen Teenager ein Problem geworden. Er stellt damit die häufigste allergische Krankheitsmanifestation in Deutschland dar.
Die besonders hohe Prävalenz allergischer Krankheitssymptome bei Kindern und Jugendlichen sowie unser heutiges Verständnis allergischen Marsch sind eine Herausforderung für all diejenigen, denen Präventionen ein Anliegen ist und die sich mit der Betreuung und der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen.

Welche Möglichkeiten der Prävention gibt es? Leider spiegeln heutige Empfehlungen und Ratschläge noch immer den derzeitigen Stand unserer Unwissenheit wieder. Ältere, klassische Denkweisen zur Prävention sahen vor, bereits im Säuglingsalter soviel wie möglich Risikofaktoren zu vermeiden. Über viele Jahrzehnte galt das Stillen als die beste Art und Weise dies umzusetzen. Neuere Studien zeigen allerdings, dass auch der Effekt des konsequenten Stillen eher gering ist, wenn es um die Allergieprävention geht. Die Verwendung sogenannter "hypoallergener" Hydrolysatnahrungen, die vorverdaute Kuhmilchantigene enthalten, hat sich als machbar und zumindest vorübergehend auch wirksam herausgestellt, wenngleich der Effekt nicht langfristig anzuhalten scheint und eher begrenzt ist.

Das Vermeiden von Innenraumallergenen (Hausstaubmilben, Haustiere) ist als Maßnahme der Sekundärprävention von hohem Wert. Was die Primärprävention angeht, so wird die Wertigkeit heute eher kontrovers diskutiert.
Eine neue Form der Allergieprävention basiert auf der Frage: warum hatten eigentlich unserer Großeltern keine Allergie. Das spielt sich im Immunsystem derjenigen Kinder ab, die sich gesund entwickeln und niemals allergisch werden. Könnte es sein, dass sich in industriealisierten Ländern innerhalb von 2 oder 3 Generation die Lebens- und Umweltbedingungen so stark geändert haben, dass unserem Immunsystem bestimmt Stimuli wie die von Infektionserregern fehlen und damit auch Schutzfaktoren abhanden gekommen sind? In der Tat waren, wenn man an Infektionskrankheiten denkt, Kinder noch nie so gesund wie heute. Wenn dies mit der Zunahme der Allergien wirklich kausal verknüpft wäre, könnten sich dann neue Chancen für eine Prävention ergeben, wenn es der Wissenschaft gelänge, intelligente Wege zu finden, den Kontakt mit Infektionserregern zu simulieren und auf diese Weise die schützenden Immunfunktionen des Kindes, die gegen eine Allergieentwicklung gerichtet sind, zu aktivieren.

Es wird noch ein langer Weg sein, bis eine langfristig effiziente Allergieprävention auf der Ebene ganzer Populationen Eingang in die Versorgung gefunden hat. Heute arbeiten wir am Verständnis der molekularen und genetischen Grundlagen der Allergie. Hier die Geheimnisse zu entschlüsseln, wird insofern von besonderer Bedeutung sein, als wir Risikopopulationen neu definieren können und prädiktive Aussagen über das Allergie- oder Asthmarisiko eines Neugeborenen vielleicht bald präziser treffen können, als dies heute noch möglich ist.

Allergieprävention in Deutschland bedeutet jedoch mehr als Primärprävention. Es bedeutet frühe Krankheitsmanifestationen früh zu erkennen, die Möglichkeiten allergologischer Diagnostik vor allem im hausärztlichen Bereich populärer zu machen, Kenntnisse und Missverständnisse abzubauen. Ganz sicher werden die viel zu wenigen allergologisch spezialisierten Ärzte in Deutschland die Versorgung und Früherkennung eines großen Prozentsatzes unserer Bevölkerung allein nicht leisten können. Neue Versorgungsstrukturen im Gesundheitssystem sind zu diskutieren, Netzwerke zwischen haus- und fachärztlich tätigen Ärzten müssen geknüpft werden. Sowohl Kinderärzte als auch Haus- und Allgemeinärzte müssen dabei Instrumente an die Hand bekommen, mit denen sie die ersten und einfachen diagnostischen Schritte tun können. Bereits heute gibt es auf dem Markt einfache symptomorientierte Teste, die kosteneffizient sind und für die Früherkennung und Frühbehandlung von großer Bedeutung sein könnten.