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Startseite : 2005 Mutter und Kind : zentrale Veranstaltung : Dokumentation : Proaktive telefonische Raucherberatung

 Proaktive telefonische Raucherberatung 
von Schwangeren und Müttern von Säuglingen

Ein Modellprojekt im Rahmen der Prävention des plötzlichen Säuglingstodes (SID)

Ekkehart PaditzEkkehart Paditz

Vita

Foliensatz (steht zur Zeit nicht zur Verfügung)

Paditz Ekkehart (1), Stahn Katharina (2), Grube Angelika (1), Walter Beate (1), Stock Katharina (1), Mölle Stefanie (3), Scharfe Stefan (3), Lindinger Peter (4), Pötschke-Langer Martina (4), Keusch Siegfried (5)

  1. Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin Med. Fakultät TU Dresden
  2. Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Städt. Krankenhauses Dresden-Neustadt
  3. Kinderarztpraxis Dresden
  4. Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg
  5. AOK Sachsen

Einleitung: Tabakrauchexposition während der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr erhöht das SID-Risiko dosisabhängig bis zu 8 - 16fach. Weitere gesicherte Risiken sind das Auftreten einer Fehl- oder Frühgeburt, sowie Geburt eine hypotrophen Kindes, außerdem Fehlbildungen wie Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Mikrocephalus, Klumpfussbildung (1,2,7)

Nach aktuellen Erhebungen rauchen 20 - 50 % aller Schwangeren (6). Die Hälfte der Schwangeren unter 25 Jahren raucht (4), bei Schwangeren der niedrigeren sozialen Schichten mehr als 40% (3). Durchschnittlich raucht eine Schwangere 13 Zigaretten am Tag (3), im Durchschnitt ist das ungeborene Kind demnach im Verlauf der Schwangerschaft dem Rauch von 3640 Zigaretten ausgesetzt. Etwa ein Drittel der Schwangeren schafft den freiwilligen Ausstieg in der Schwangerschaft (4), postnatal steigt das Rückfallrisiko stetig mit wachsendem Alter des Kindes (1). 1994-1999 rauchten 22% der Mütter von Säuglingen, die im 3. Lebensmonat im Schlaflabor untersucht wurden (43% der unter 23-jährigen und 19,8% der über 23-jährigen Mütter) (5). Am Ende des ersten Lebensjahres rauchen bereits wieder 30% der Mütter (1).

Telefonische Raucherberatungen haben sich bewährt aufgrund ihrer einfachen Zugänglichkeit bei relativ geringem Aufwand. Sie bieten außerdem den wesentlichen Vorteil einer individuellen Beratung. Verglichen mit anderen Möglichkeiten der Raucherberatung zeigen sie ähnlich gute, teilweise sogar höhere Erfolgsquoten. Dies gilt insbesondere für die proaktiven Beratungstelefone (8). Bei diesen werden die Klienten nach einem Erstkontakt vom Berater proaktiv angerufen, d.h. sie müssen sich nicht mehr von sich aus melden, sondern der (pro-)aktiv Handelnde ist der Berater.

Methodik: Im Jahr 2002 wurde das deutschlandweit erreichbare Info- und Beratungstelefon "Gesunder Babyschlaf" gestartet (Tel. 0180. 50 99 555). Dort können Interessierte einen Infotext sowie Faxabruf abrufen oder zu festgelegten Sprechzeiten von Kinderärzten beraten werden. Im März 2003 wurde dieses Infotelefon um eine "Beratung für rauchende Schwangere und Mütter von Säuglingen" - ebenfalls mit Infotext, Faxabruf und der Möglichkeit, sich von speziell geschulten Raucherberaterinnen beim Rauchstopp unterstützen zu lassen- erweitert. Sprechzeiten sind dienstags bis donnerstags von 8.00 -10.00 Uhr und Dienstag + Donnerstag von 16.00 - 18.00.

Für den proaktiven Ansatz wurden Kinder- und Frauenärzte sowie Hebammen in ganz Sachsen gebeten, mittels eines speziell angefertigten Formblattes die schriftliche Einwilligung rauchender Schwangerer und Mütter von Säuglingen einzuholen, vom Raucherberatungstelefon angerufen zu werden. Die Raucherinnen werden über Tipps und Tricks zum Rauchstopp informiert. Mit ausstiegswilligen Raucherinnen wird ein Rauchstopptermin innerhalb der nächsten 14 Tage vereinbart, begleitend erfolgen engmaschige Folgeanrufe bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes. Bei nicht ausstiegswilligen Raucherinnen wird mittels psychologischer Gesprächsführung die Ambivalenz beim Rauchern erhöht und eventuell in Folgekontakten ein Rauchstopp vereinbart. Rauchende Partner werden an die bekannten reaktiven Suchttelefone der BZgA (Tel.-Nr. 0221.89 20 31 ) und des Deutschen Krebsforschungszentrums (Tel.-Nr.
06221.42 42 00) verwiesen. Folgekontakte werden individuell vereinbart, erfolgen aber in jedem Falle 4 Wochen nach Geburt des Kindes sowie zum 6. und 12. Lebensmonat um die erzielten Erfolge zu evaluieren.

Ergebnisse: Vom 11. März 2003 bis zum 31. Dezember 2004 erfolgten 437 Anrufe. Dabei handelte es sich um 132 Erstanrufe und um 305 Folgeanrufe. 103 Kontakte erfolgten proaktiv und 29 Kontakte reaktiv. 90 Klientinnen wurden über 305 Folgeanrufe weiterbetreut.

Insgesamt wurde im Beobachtungszeitraum bei 40% (36/90) der Frauen ein Rauchstopp registriert. Weitere 20% (18/90) reduzierten den Zigarettenkonsum. Damit konnten 60% der erstkontaktierten Frauen zum Rauchstopp oder zur Reduktion des Zigarettenkonsums motiviert werden.

6,6% der Klientinnen waren während der Schwangerschaft Nichtraucherinnen und rauchten nach der Geburt des Kindes oder nach Beendung der Stillperiode wieder.

Über 11% (10/90) der Klientinnen liegen leider keine weiteren Verlaufsangaben vor, da die Frauen trotz mehrfacher Kontaktversuche nicht wieder telefonisch erreicht werden konnten.

25% der Erstanrufe waren einmalige Kontakte. Ursächlich waren neben einem Wiederruf des Beratungswunsches auch bereits erfolgter Rauchstopp, reiner Informationsbedarf, stationärer Aufenthalt der Klientin, Tod des Kindes, Schwangerschaft nicht vorliegend u.v.a.m.

Zahlreiche weiteren Frauen konnten motiviert werden, zumindest eine rauchfreie Wohnung schaffen, viele wurden - teilweise erstmalig - aufgeklärt über die zahlreichen unerwünschten Wirkungen des Rauchens auf das ungeborene oder neugeborene Kind. Außerdem wurden Informationen gegeben über die Möglichkeit des Stillens trotz Zigarettenkonsum und die beste "Technik" (Rauchen direkt im Anschluss an die Stillzeit).

Diskussion: Das Projekt stellt das erste proaktive Raucherberatungstelefon in Deutschland dar. Die eigenen vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass eine kurzfristige Beeinflussung des Raucherstatus insbesondere während der Schwangerschaft möglich ist. Das proaktive Vorgehen scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein, da dadurch die Hemmschwelle der Schwangeren überschritten wird, sich selbst zu melden. Für die Effizienz des proaktiven Vorgehens spricht auch das Verhältnis der proaktiven zu reaktiven Anrufe (3,6 mal mehr proaktive als reaktive Anrufe). Abstinenzquoten von Raucherberatungstelefonen liegen zwischen 15-45%. Damit zeigt sich die erreichte Abstinenzquote von 40% im oberen Bereich. Die individuelle telefonische Beratung inkl. der Möglichkeit von Folgekontakten scheint der Selbsthilfe und der Gruppentherapie überlegen zu sein. Eine intensive Weiterbetreuung zur Reduktion der Rückfallquote vor allem auch nach der Geburt sowie eine Evaluation der Ergebnisse ist erforderlich.

Ziel des Projektes ist die weitere Senkung der SID-Rate durch Vermittlung der drei Informationen: Babys schlafen am sichersten in Rückenlage und im Schlafsack sowie "Baby mag rauchfrei - auch schon vor der Geburt".


Literatur
(1) Bornhäuser A., Pötschke-Langer M: Passivrauchende Kinder in Deutschland - Frühe Schädigungen für ein ganzes Leben. Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle Band 2, deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg, S 11 - 23, 2003

(2) Haustein K.-O. 2000: Rauchen, Nikotin und Schwangerschaft. Geburtsh Frauenheilk 60: 11 - 19.

(3)Helmert U et al.: Rauchverhalten von Schwangeren und Müttern mit Kleinkindern. Sozial- und Präventivmedizin, 43, 51 - 58, 1998.

(4) Lang P: Förderung des Nichtrauchens in der Schwangerschaft. In: Hausstein K-O: Rauchen und kindliche Entwicklung - Raucherschäden und Primärprävention. Verlag Perfusion, Nürnberg, pp 153 - 167, 2001.

(5) Maier U, Friebel D, Paditz E: Mütterliches Rauchen und Geburtsgewicht, Stillen, Infekte, Schwitzen und Blässe bei Säuglingen. In: Paditz E (Hrsg.): Gesunder Babyschlaf - Prävention des Plötzlichen Säuglingstodes in Sachsen. Hille Dresden 2002, S. 55-57

(6) Paditz E et al.: Beratungstelefon "Gesunder Babyschlaf" und "Beratung für rauchende Schwangere und rauchende Mütter von Säuglingen" innerhalb der Prävention des Plötzlichen Säuglingstodes: Tel. 0180. 50 99 555. Kinder- und Jugendarzt 3: 482-488, 2003.

(7) Schellscheidt J, Oyen N, Jorch G: Interactions between maternal smoking and other prenatal risks factors for sudden infant death syndrome (SIDS). Acta Paediatr. Aug; 86(8):857-63, 1997.

(8) Stead LF, Lancaster T. Telephone counselling for smoking cessation (Cochrane Review) 2003: The cochrane library 3. Oxford: Update software.


Prof. Dr. med. Ekkehart Paditz
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin
der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden
Fetscherstr. 74
01307 Dresden
Tel. 03 51 / 458 31 60
Fax 03 51 / 458 57 72
E-Mail: Ekkehart.Paditz@uniklinikum-dresden.de


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