Servicenavigation

Schriftgrösse
Kontrast
Suche
Kontakt
Datenschutz
Impressum

Hauptnavigation

zentrale Veranstaltung
Dokumentation
Risiken des Rauchens in der Schwangerschaft
Vita Regina Rasenack
Presse
Aktionen
Angebote
Links zum Thema
World Health Day 2005

Inhalt

Startseite : 2005 Mutter und Kind : zentrale Veranstaltung : Dokumentation : Risiken des Rauchens in der Schwangerschaft

 Risiken des Rauchens in der Schwangerschaft

Dr. Regina RasenackDr. med. Regina Rasenack

Vita


Ausmaß und Verbreitung des Tabakkonsums

Rauchen ist der wichtigste reversible Risikofaktor für nicht erfolgreich verlaufende Schwangerschaften (Werler 1985). Außer Nikotin beinhaltet der Tabakrauch noch 4000 andere toxische Substanzen. Die schwerwiegendsten pränatal auftretenden Schäden werden verursacht durch nikotinbedingte Gefäßkontraktion, Kohlenmonoxid, Teer, Cadmium und Zyanid. In der Bundesrepublik Deutschland rauchen 35 % der Menschen zwischen 18 und 59 Jahren, 39 % der Männer, 31 % der Frauen (Kraus und Augustin 2001). Der Anteil rauchender Schwangerer ist am höchsten bei den unter 25-jährigen Frauen, rund 40 % (Junge und Nagel 1999). Unter ledigen und geschiedenen Frauen beträgt der Anteil von Raucherinnen 62 % (Helmert 1998).

Risiken des Tabakkonsums für das ungeborene Kind
Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Fehlgeburten wird bei rauchenden Schwangeren von vielen Untersuchern gefunden (Risch 1988, Armstrong 1992, Kline 1993), jedoch zeigen nicht alle Untersuchungen signifikante Unterschiede und der Einfluss anderer Variabler auf den Schwangerschaftsausgang ist nicht immer ausgeschlossen. Zu berücksichtigen ist auch ein Unterschied zwischen anamnestisch angegebenem Tabakkonsum und objektiver Belastung. Bei durch Cotinin-Untersuchung im Urin dokumentierter Tabakbelastung konnte Ness 1999 eine signifikante Risikoerhöhung für spontane Fehlgeburten nachweisen.

In der Mehrzahl der Studien ist kein teratogener Effekt von Tabakrauchen für angeborene Fehlbildungen insgesamt nachweisbar (Alberman 1976, Kelsey 1978, Evans 1979, Christianson 1980, Shiono 1986, Malloy 1989, Seidman 1990, Van den Eeden 1990, Wasserman 1996). Für Lippen-Kiefer-Gaumenspalten zeigen jedoch mehrere Untersucher ein erhöhtes Risiko für Kinder von Raucherinnen, z.T. mit dosisabhängigem Effekt (Ericson 1979, Khoury 1987, Van den Eeden 1990, Shaw 1996, Kallen 1997). Gut belegt ist ein erhöhtes Risiko für Spaltbildungen, wenn mütterliches Rauchen und bestimmte genetische Faktoren zusammen kommen (Hwang 1995).

Plazenta praevia kommt bei Raucherinnen häufiger vor, die Erhöhung wird von verschiedenen Untersuchern, zum Teil mit nachweisbarem Dosiseffekt, um 50 - 60 % beschrieben (Naeye 1980, Kramer 1991, Zhang 1992, Ananth 1996, Castles 1999). Auch die vorzeitige Plazentalösung mit einem hohen Risiko für eine Asphyxie des Kindes wird bei Raucherinnen häufiger beobachtet (Naeye 1980, Williams 1991, Raymond 1993, Ananth 1996). Raucherinnen mit vorzeitiger Plazentalösung haben ein 2- bis 3-Mal höheres Risiko für perinatalen Kindstod im Vergleich zu Nichtraucherinnen (Kyrklund-Blomberg 2001, Pollack 2000). Piasek fand 2002 in Raucherplazenten doppelt so viel Kadmium wie in Nichtraucherplazenten und damit eine beeinträchtigte Steroidproduktion. Histologische Untersuchungen von Larsen (2002) fanden bei Raucherplazenten eine signifikante Rarifizierung der Villuskapillaren und damit das Korrelat für die geringere Funktionstüchtigkeit.

Die Geburtsgewichtsreduktion für Kinder rauchender Mütter ist seit Jahrzehnten gut dokumentiert und auch unter Laien bekannt. Kinder von rauchenden Müttern sind im Gesamtkollektiv 200 g leichter, dabei kommt es zu einem gut dokumentierten Dosiseffekt, das heißt Kinder starker Raucherinnen sind wesentlich leichter als Kinder von schwachen Raucherinnen. Beschrieben wurde dieses Phänomen bereits 1961 von Frazer et al (später von Buttler 1972, D´Souza 1981, Meyer 1978, Cnattingius 1993, De Scrilli 1986). Das Risiko ein Mangelkind zu gebären ist für Raucherinnen doppelt so hoch wie für Nichtraucherinnen, 30 - 40 % der Mangelkinder werden durch Tabakrauchen verursacht. Entgegen der Hoffnung, dass leichtere Kinder einfacher geboren werden können, müssen Kinder von Raucherinnen häufiger per Kaiserschnitt geboren werden und haben signifikant schlechtere APGAR- und pH-Werte (Habeck 2002). Gelingt es einer Raucherin in der Frühschwangerschaft das Rauchen aufzugeben, sind kaum noch Gewichtsunterschiede zu verzeichnen (Buttler 1972, Rusch 1983, Cliver 1995).

Schon 1957 beschrieb Simpson, dass Kinder von Raucherinnen häufig zu früh geboren werden. Insgesamt wird eine 30 %ige Risikoerhöhung beschrieben (Shiono 1986, Pinette 1989, Harlow 1996, Shah & Bracken 2000, Habeck 2002).

Kinder von Raucherinnen haben eine um 30 % erhöhte perinatale Mortalität, das heißt, sie sterben zwischen der 24. Schwangerschaftswoche und dem 28. Lebenstag. 10 % der perinatalen Mortalität wird durch mütterliches Rauchen verursacht (Kleinman 1988, English & Eskenazi 1992, Raymond & Mills 1993, Oncken 2003).


Risiken des Passivrauchens für Schwangere, Säuglinge, Kleinkinder und Jugendliche

Plötzlicher Kindstod (SIDS) wird bei Kindern von Raucherinnen 2- bis 4-mal so häufig berichtet wie bei Nichtraucherinnen. Dieses Phänomen wird von einer Vielzahl von Untersuchern beschrieben (Bulterys 1990, Haglund 1990, Schoendorf 1992, Scragg 1993, Klonoff-Cohen 1995, Gupton 1995, Di Franza 1995, Alm 1998, Wisborg 2000, Pollack 2000). Erklärt wird das häufigere Auftreten des plötzlichen Kindstodes durch Beeinträchtigung der Regulationsmechanismen des autonomen Nervensystems bei kardiorespiratorischen Stresssituationen bei Kindern von Raucherinnen. In wie weit dabei der pränatale Einfluss im Gegensatz zur postnatalen Rauchbelastung eine Rolle spielt ist schwer nachweisbar. Hinweise, dass bereits der pränatale Einfluss einen negativen Effekt bietet, zeigte Browne (2000) mit dem Nachweis, dass die Blutdruckregulation bei Lageveränderungen am 2. bis 3. Lebenstag bei Kindern von Raucherinnen beeinträchtigt ist. In die gleiche Richtung deuten Untersuchungen von Oncken (2002) und Sherman (2002), die eine Einschränkung der Variabilität fetaler Herzaktionen abhängig von den mütterlichen Blutnikotin- und -Cotinin-Konzentration nachweisen konnten. Das erhöhte Risiko für plötzlichen Kindstod kann auch durch eine signifikant erhöhte Aufwachschwelle von Kindern rauchender Mütter erklärt werden, wie es Horne (2002) bei 2-3 Monate alten Kindern mit Luftzugstimulation und Chang (2003) mit akustischen Weckreizen gefunden haben.

Atemwegserkrankungen inklusive Asthma sind bei Kindern von Raucherinnen deutlich häufiger. Auch hierbei ist kaum die intrauterine von der postpartalen Belastung zu trennen. Literatur hierzu findet man beim AHA Medical Statement (1994), Gupton (1995), Stoddard (1995), Nuesslein (1999), Gilliland (2002).

Die Bedeutung des pränatalen Einflusses von Rauchen unterstreichen Untersuchungen von Stick (1996), die bei Messung der Atemvitalfunktionen in den ersten Lebenstagen eine Beeinträchtigung bei Kindern von Raucherinnen feststellten. Gilliland (2002) zeigte schlechtere Lungenfunktionsteste bei Schulkindern von Raucherinnen. Eine erhöhte Asthmafrequenz bei Kindern von nicht stillenden Raucherinnen wies Tang 2002 nach.

Bei Kindern von rauchenden Müttern werden eine Vielzahl von Verhaltensauffälligkeiten und Psychopathologie inklusive Delinquenz beschrieben (Rantakallio 1992, Ernst 2001, Niaura 2001, Maughan 2001, Brennan 2002, Piquero 2002, Kemppainen 2002, Wakschlag 2002 a + b, Silberg 2003). Hierbei ist natürlich der kausale Einfluss der Tabakbelastung von anderen Variablen aus dem psychosozialen Bereich nur sehr schwer differenzierbar. Insbesondere wird dabei eine Zunahme des Aufmerksamkeitsdefizits- / Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) benannt. Eine Literaturzusammenstellung zum ADHS findet man bei Hellstrom-Lindahl (2002) und Weitzman et al (2002). Eine Tabakabhängigkeit entwickelt sich bei Kindern von Raucherinnen bis zu 5-fach häufiger (Kandel 1994, Cornelius 2000, Milberger 1997). Kinder von rauchenden Müttern entwickeln später häufiger Übergewicht, bei 5- bis 7-jährigen Kindern ist Übergewicht 100 % häufiger, bei bis zu 33-jährigen immer noch 50 % häufiger (Power & Jefferis 2002, Toschke 2002).

Auch Passivrauchen der Mutter bewirkt eine ungünstige Entwicklung des Kindes. Hanke (1999, 2001) und Lindbohm (2002) fanden ein signifikant erhöhtes Frühgeburtenrisiko, wenn Nichtraucherinnen mindestens 7 Stunden pro Tag Tabakrauch ausgesetzt waren. Passivrauchen führt zu histologisch nachweisbaren Plazentaveränderungen wie Nelson (1999) durch pathologisch-anatomische Untersuchungen nachweisen konnten. Daten von Zhang & Retcliffe (1993), Eskenazi (1995) und Lindbohm (2002) belegen eine Assoziation von Passivrauchen und leichteren Neugeborenen.


Konzepte für eine rauchfreie Schwangerschaft und Kindheit

Suchtkranke Frauen haben in der Schwangerschaft eine erhöhte Motivation abstinent zu werden. Sie profitieren von einem Netzwerk der professionellen Hilfe während dieser gesamten Periode. Günstig beeinflusst wird die Abstinenzrate von einer Intervention, die so früh wie möglich einsetzt, fraktioniert über die gesamte Schwangerschaft und Stillzeit erfolgt und möglichst mehrere Komponenten beinhaltet (multimodal). Motivierung und Unterstützung zum Rauchstopp sollte dabei durch häufige Kontakte und durch Personen aus verschiedenen Professionen erfolgen (Frauenärzte, Kinderärzte, Pflegepersonal, Hebammen, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter). Eine Einbeziehung von Partnern und Umgebung sowie eine soziale Unterstützung bei Bedarf wirken sich günstig aus. Literatur über Determinanten für Tabakstopp bei Schwangeren findet man bei Klesges (2001), Lu (2001) und Fagerstrom (2002). Schon eine 5-malige persönliche Beratung mit spezieller Literatur für Schwangere erhöht die Abstinenzrate um 30 - 70 % (Dolan-Mullen 1994, Melvin 2000 und McBride 1999). Eine Übersicht über spezielle Schwangeren-entwöhnungsprogramme bieten Walsh et al (2001). Pomerleau (2000) wies darauf hin, dass Raucherentwöhnungsstrategien die erfolgreich sein wollen, unbedingt Gewichtskontrollmöglichkeiten für die entwöhnungswillige Frau beinhalten müssen.

Bei starken Raucherinnen ist eine Nikotinersatztherapie hilfreich. In der Schwangerschaft wird der Vorteil von Nikotinersatztherapien im Vergleich zum Weiterrauchen allgemein als stark überwiegend angesehen, allerdings nur in Zusammenhang mit einer Verhaltenstherapie. Eine Übersicht über Nikotinersatztherapie bei Schwangerschaftsentwöhnung mit 340 Referenzen stellten Dempsey & Benowitz 2001 zusammen.

Für gynäkologische Praxen hat die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung ein hervorragendes Medienset für die Raucherentwöhnung zusammengestellt. Dieses vorzügliche Hilfsmittel ist leider viel zu wenig bekannt, sollte in jeder gynäkologischen Praxis vorhanden sein und unbedingt vermehrt eingesetzt werden. Bisher sind allerdings sowohl die fehlende Ausbildung als auch unzureichende Zeitbudgets und fehlende Honorierung der potentiellen Berater Hemmnisse für eine Übernahme entwöhnungsspezifischer und rückfallpräventiver Maßnahmen in der ärztlichen Praxis.

Aus den verfügbaren Erkenntnissen werden folgende Empfehlungen abgeleitet:

  1. Erfragung des Rauchstatus der Schwangeren bei allen Vorsorgeuntersuchungen.
  2. Rauchende Schwangere sollten eine ausführliche Beratung zur Tabakentwöhnung erhalten.
  3. Da der Rauchstopp zu jedem Zeitpunkt im Verlauf der Schwangerschaft Vorteile für Mutter und Kind bietet, sollten sowohl zu Beginn als auch im Verlauf der Schwangerschaft wirksame Entwöhnungsinterventionen zum Einsatz kommen.
  4. Der Einsatz von Nikotinersatzprodukten sollte bei rauchenden Schwangeren dann erwogen werden, wenn ein Rauchstopp ohne diese nicht zu erreichen ist.
  5. Ist ein Rauchstopp nicht zu erreichen, wird eine deutliche Verringerung der Rauchfrequenz angestrebt.
  6. Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mutter sollte in den Mittelpunkt der Beratung gestellt werden, der Nutzen einer gesundheitsförderlichen Lebensführung und die Bewältigung von Krisensituationen sollte angesprochen werden.

Dr. med. Regina Rasenack
Universitätsfrauenklinik Freiburg
Hugstetterstr. 55 
79106 Freiburg
Tel.: 07 61 / 27 03 02 4
E-Mail: rrase@frk.ukl.uni-freiburg.de